Rachel Rinast: «Die USA sind eine andere Nummer als Deutschland»


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Rachel Rinast: «Die USA sind eine andere Nummer als Deutschland» |  Başlangıç girişi 16.06.2015 - 23:01
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Rachel Miriam Rinast – 24 Jahre alt, 1,76 Meter groß, Linkfüßlerin – ist Deutsch-Schweizerin und nimmt mit der «Nati» an der WM in Kanada teil. Diese Saison ist die dynamische Außenbahnspielerin mit dem 1.FC Köln in die Bundesliga aufgestiegen. Im Interview mit André Anchuelo spricht «Ray», wie ihre Mitspielerinnen sie rufen, über die ungewöhnliche Geschichte ihrer Berufung in den Schweizer WM-Kader, ihre deutsche Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die umstrittenen Kunstrasenplätze bei dem Turnier in Kanada und warum für sie die USA Topfavorit auf den Titel sind.

Soccerdonna: Frau Rinast, erst der Aufstieg mit dem 1.FC Köln, jetzt die WM-Teilnahme mit der Schweiz – leben Sie gerade Ihren Traum?

Rachel Rinast: Ja, das kann man schon so sagen. Wobei ich mir diesen Traum nie erträumt hätte. Ich bin sehr realistisch veranlagt und hätte nicht gedacht, dass ich irgendwann noch zu einer Weltmeisterschaft fahren würde. Als ich klein war, war das auf jeden Fall mein Traum. Und jetzt hat es auf einmal doch noch geklappt. Mit 24 Jahren bin ich ja schon in meiner sportlichen Blütezeit, auf jeden Fall bin ich kein Youngster mehr.

Soccerdonna: Dabei sind Sie ohnehin erst vor drei Monaten zur Nationalspielerin geworden – wie kam es dazu?

Rachel Rinast: Als ich mit meinem Spielerberater plauderte, erwähnte ich, dass meine Mutter Schweizerin sei und ich ebenfalls die schweizerische Staatsbürgerschaft hätte. Darauf meinte er, wieso ich nie etwas davon gesagt hätte. Er hätte da doch den Kontakt zum Verband herstellen können und dass er das auch jetzt noch könne. Gesagt, getan. Vom Schweizerischen Fussballverband wurde mir auch sofort Interesse signalisiert – zumindest wollten die Verantwortlichen mich mal spielen sehen. Und das hat dann auch schnell geklappt.

Soccerdonna: Von Seiten des DFB gab es nie eine Einladung?

Rachel Rinast: Ich wurde mal gesichtet. Das war aber auch schon ziemlich spät – mit 18. Nach dem Sichtungslehrgang hat man mir gesagt, dass ich physisch die perfekten Voraussetzungen hätte, aber technisch und taktisch drauflegen müsse. Damals war ich bei Holstein Kiel in der 2.Bundesliga Nord. Beim DFB hätte man mich aber lieber bei einem Erstligisten gesehen oder zumindest in der 2.Liga Süd. Mir wurde der Kontakt zu Köln und Bayer Leverkusen vermittelt. Ich habe mich dann für den FC entschieden und bin 2010 dorthin gewechselt. Vom DFB hat sich aber nie wieder jemand bei mir gemeldet.

Soccerdonna: Von Köln sind Sie 2012 zum SC Bad Neuenahr gewechselt und sammelten erste Erfahrungen in der 1.Bundesliga.

Rachel Rinast: Ja, ich bin schweren Herzens von Köln weggezogen und bekam in Bad Neuenahr einen Zweijahres-Vertrag. Das war auch eine gute Erfahrung, aber dann musste der Verein Insolvenz anmelden. So bin ich 2013 nach Köln zurückgekehrt. Und jetzt haben wir es geschafft und sind mit dem Team erstmals in die Bundesliga aufgestiegen.

Soccerdonna: Spüren Sie beim 1.FC Köln so etwas wie Stolz auf die WM-Teilnehmerin Rachel Rinast?

Rachel Rinast: Ja, auf jeden Fall. Ich spüre da viel Rückendeckung und auch Stolz. Da sind auch viele Menschen, die ich zum Teil gar nicht kenne, die mir auf Facebook schreiben, dass sie jetzt nicht nur Deutschland-, sondern auch Schweiz-Fans sind. Auch die Farbkombination Rot-Weiß passt ja. (lacht)

Soccerdonna: Mussten Sie selber denn lange überlegen, ob Sie für die Schweiz spielen?

Rachel Rinast: Nein, gar nicht. Ich habe mich sehr geehrt gefühlt. Immerhin bin ich in Deutschland geboren und aufgewachsen und spreche nur Hochdeutsch. Deswegen war die Nominierung durch die Schweiz für mich eine Ehre.

Soccerdonna: Wie kommen Sie denn mit Ihren Mitspielerinnen zurecht? Hatten Sie Angst, wegen der Sprache womöglich Außenseiterin zu sein?

Rachel Rinast: Ja, die Befürchtung war da. Aber die hat sich ganz schnell gelegt. Die Schweizer können ja sowieso Hochdeutsch. Aber ich habe auch gleich gesagt, dass ich nicht will, dass sie das sprechen. Ich wollte mich auch sprachlich anpassen. Ich muss kein Schwizerdütsch reden, aber ich verstehe es. Eigentlich ist es auch gar nicht so schwer. Wenn man sich drauf einlässt, könnte es eigentlich jeder Deutsche verstehen.

Soccerdonna: Man kenne Sie in der Schweiz nicht, hieß es beim Schweizer «Frauenfussballmagazin» vor ihrem Länderspieldebüt beim Algarve-Cup. Kennen Sie denn die Schweiz?

Rachel Rinast: Ja, aus meiner Kindheit. Die Gegend rund um Zürich kenne ich ganz gut. Mein Onkel hat mich immer zum Skifahren mitgenommen. Von meinen Eltern abgesehen wohnen alle meine noch lebenden Verwandten in der Schweiz. Natürlich war ich noch nicht in jeder größeren Stadt. Obwohl die Schweiz ja nicht so groß ist – das könnte ich eigentlich mal in Angriff nehmen.

Soccerdonna: Sie sind ja auch sonst vielseitig interessiert, waren als Sängerin bei «Jugend musiziert» erfolgreich und haben bei einem HipHop-Stück mitgemacht. Wie kam es dazu?

Rachel Rinast: Ich mache nicht selber HipHop-Musik, aber ein Freund von mir, ein Student in Köln, ist Rapper. Und der brauchte eine Frauenstimme. Da sind wir dann zusammengebracht worden, haben zusammen ein Musikstück gemacht und sind Freunde geworden. Mit dem Gesang war es so: Ich hatte ein Stipendium gewonnen, das ich dann aber nicht wahrgenommen habe. Denn ich wollte unbedingt Fußballspielen und an der Sporthochschule in Köln studieren. Ich habe mir dann gesagt: Musik kannst du auch später noch machen. Aber beim Sport ist die Zeit begrenzt. Länger als bis 30 oder 35 kann man nicht auf hohem Niveau Fußball spielen.

Soccerdonna: Zurück zur WM: Welche Meinung haben Sie in dem Streit um die Kunstrasenplätze in Kanada, die von vielen renommierten Spielerinnen heftig kritisiert worden sind?

Rachel Rinast: Ich habe mich damit gar nicht so sehr befasst. Beim 1.FC Köln trainieren wir sowieso ab und zu auf Kunstrasen. Dementsprechend habe ich keine Probleme damit. Klar geht es ein bisschen auf die Knie und den Rücken. Aber wir haben hier auch eine gute Pflege, da wird man immer ganz gut durchgeknetet. Eigentlich finde ich es sogar ganz gut. Ich spiele gerne auf Kunstrasen, weil da einfach weniger Platzfehler passieren und der Ball besser läuft. Gerade im Frauenfußball ist das vielleicht ganz gut, denn dadurch wirkt das Spiel im Fernsehen schneller und attraktiver. Man merkt zwar schon, dass die Plätze, gerade zum Ende eines Spiels, heißer werden. Aber sie werden vor dem Spiel gewässert und dann ist das eigentlich auch in Ordnung.

Soccerdonna: Sie spielen im Schweizer Nationalteam als linke Außenverteidigerin. Ist das auch Ihre Lieblingsposition?

Rachel Rinast: Beim FC spiele ich ja weiter vorne, links offensiv. Aber als Außenverteidigerin habe ich das Spiel mehr vor mir, da kann ich mit Tempo nach vorne laufen. Das mag ich lieber, als mit dem Rücken zur Seitenlinie zu stehen. Linksaußen ist auch okay, aber ich spiele lieber hinten links.

Soccerdonna: Trotz der Niederlage im Auftaktspiel gegen den amtierenden Weltmeister Japan zeigte Ihr Team eine gute Leistung. Was überwog im Anschluss mehr – der Stolz auf die Leistung oder die Enttäuschung über die verpassten Punkte?

Rachel Rinast: Direkt nach dem Spiel waren wir schon erstmal enttäuscht. Aber wir haben uns dann schnell wieder gefangen und abends beim Essen war die Stimmung dann keineswegs gedrückt. Wir haben uns dann gesagt: Wir haben eine gute Leistung gezeigt. Am Ergebnis können wir nichts mehr ändern. Wir wollen die nächsten Spiele gewinnen. Gegen Japan hatten wir ja im Grunde auch nichts zu verlieren. Als WM-Neuling gegen den Weltmeister, da erwartet niemand einen Sieg.

Soccerdonna: Nun hat Ihr die Team am dritten Spieltag der Grupppenphase ein echtes Endspiel gegen Kamerun um den Einzug ins Achtelfinale. Was sagt Ihr Gefühl, wie weit Sie bei dieser WM noch kommen können?

Rachel Rinast: Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Ich glaube, dass wir das Achtefinale erreichen sollten. Wenn wir das nicht schaffen, wäre ich schon enttäuscht. Denn diese Mannschaft hat einfach so ein hohes Potenzial, so ein hohes Niveau. Das ist nicht einfach die kleine Schweiz, sondern wir haben echte Topspielerinnen dabei, die bei großen Vereinen spielen. Die Schweiz hat in den letzten Jahren auch eine sehr gute und schnelle Entwicklung genommen. Die Qualifikation war eine ziemlich gute Teamleistung. Auch die Tatsache, dass es sehr viele verschiedenen Torschützinnen gab, zeigt, wie vielseitig dieses Team und wie groß der Zusammenhalt ist.

Soccerdonna: Neben Ihnen gibt es noch eine zweite Deutsche im Team – die Cheftrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Wie ist Ihr Verhältnis zu der langjährigen deutschen Nationalspielerin?

Rachel Rinast: Wie kannten uns vor meiner Nominierung nicht persönlich. Ich hatte natürlich schon viel von ihr gehört. Als Trainerin strahlt sie eine natürliche Autorität aus und ist gleichzeitig sehr einfühlsam. Ich glaube, das ist gerade im Frauenfußball sehr wichtig, weil sich Frauen im Fußball schon mehr Gedanken machen als die meisten Männer. Viele Männer schütteln sich einmal, wenn sie einen Fehler gemacht haben, und dann ist auch gut. Frauen sind da etwas emotionaler veranlagt.

Soccerdonna: Was macht ihre Autorität aus?

Rachel Rinast: Sie hat einfach diese Aura. Wenn sie in den Raum kommt, wartet man erstmal ab, was sie zu sagen hat. Sie hat ja auch eine unfassbare Karriere als Spielerin. Sie ist positiv autoritär, man macht sich vor ihr nicht in die Hose, sondern sie strahlt viel Positivität aus.

Soccerdonna: Welches Team ist für Sie Favorit auf den Titelgewinn?

Rachel Rinast: Die USA auf jeden Fall. Dann hatte ich eigentlich auch noch Frankreich auf dem Zettel...

Soccerdonna: … die aber schon im ersten Spiel nicht überzeugen konnten.

Rachel Rinast: Das stimmt. Aber vielleicht steigern sie sich noch.

Soccerdonna: Und Deutschland?

Rachel Rinast: Ja, das könnte auch sein. Die werden natürlich auch oben mitmischen. Aber ich glaube eher, dass sich die USA durchsetzen werden. Als wir im März gegen die Amerikanerinnen gespielt haben, war das nochmal eine ganz andere Nummer als zuletzt gegen Deutschland.

Soccerdonna: Das Team der USA verfügt auch über große Erfahrung...

Rachel Rinast: Sie sind sehr erfahren, lauter Topspielerinnen und alle auf einem athletischen Niveau, das man sich nur zum Vorbild nehmen kann. Die sind einfach alle extrem fit.

Soccerdonna: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Rinast.
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