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15.09.2022 - 16:20 Uhr | News | Quelle: YouTube, dpa, Soccerdonna | von: Framson
Der Moment, in dem aus mir ein Fan des Frauenfussballs wurde
©VfL Wolfsburg
Es sind keine Sternstunden, sondern leuchtende Eindrücke in Sekunden, die aus einer eben noch gewöhnlichen Situation etwas ganz Besonderes machen, das sich tief im Bewusstsein eingräbt, im Bruchteil eines Gedankenblitzes ein Fundament bildet und möglicherweise Leidenschaften weckt, von denen man bis eben nicht wusste, dass man sie in sich hat.
Diese Art eines Wow-Moments hat sicher jede und jeder schon einmal erlebt. Er kann durch einen Triumph in einem erfolgreich bestrittenen Wettkampf ausgelöst werden, durch einen heiß ersehnten Kuss oder vielleicht auch nur durch das Zuschauen bei einer bestimmten Aktion, von der man nicht viel erwartet hat und dann hat einen die Sache doch total aus den Socken gehauen.
So einen Moment habe ich erlebt, als ich etwas tat, was ich sonst eher nie tue. Ich habe das wohl größte Videoportal im WWW besucht und verfiel in -ich kann gar nicht glauben, das hier und jetzt zuzugeben- in ein latent gelangweiltes Herumsuchen. Das mache ich üblicherweise nicht, denn meine Zeit gibt das gar nicht her und eigentlich interessiere ich mich nur wenig für Vorschläge, die mir auf diesen Portalen angeboten werden. Aber dann geschah es.
Mein Augenmerk fiel auf einen Beitrag, der für einen Freistoß warb. Für den (!) Freistoß unter den Freistößen, so versprach es die Überschrift. Als regelmäßiger Beobachter des englischen Rekordmeisters der Herren rief mir mein Unterbewusstsein zu, dass gleich eine gewisse Nummer 7 einen unnachahmlich genial getretenen Standard ins Netz befördern würde. Und dann stand da: Frauen. Ich dachte: Wie, Frauen? Das Video zeigte einen Standard des VfL Wolfsburg in einem Bundesligaspiel der Frauen und die mir bis dahin nicht namentlich bekannte Schützin trug die Rückennummer 6.
Heute weiß ich, dass ich es der Kapitänin der Wölfinnen und niederländischen Nationalspielerin Dominique Janssen verdanke, diesen unglaublichen Moment miterlebt zu haben. Und das ist keine Übertreibung. Wie sie sich mit scharfem Blick die Ecke ausguckte, mit welcher Eleganz sie anlief, mit welcher Wucht und Präzision sie die Kugel erwischt hat und wie treffsicher sie das Ding verwandelte, hat mich beherzt von meinem Stuhl aufspringen lassen.
Meine Arme wollten nur in eine Richtung: Ganz nach oben, so sehr habe ich mich mitgefreut. Wäre ich im nächsten Moment von einer Konfessionsgemeinschaft zwecks Mitgliederakquise angerufen worden, hätte ich vermutlich beseelt verkündet, dass mein Bedarf gedeckt sei, weil mir soeben die Fussballgöttin persönlich erschienen ist. Diese stammt, ganz nebenbei bemerkt, nicht aus einem fernen Universum, sondern aus den Niederlanden und niemand auf diesem oder einem anderen Planeten vermag schönere Freistöße zu treten als sie.
Als ob all das noch nicht genug gewesen wäre, rannte Dominique Janssen nach dem verwandelten Standard in die Fankurve, hob ein Stück vor der Eckfahne in die Luft ab und zeigte den Turnaround-Torjubel dieser gewissen Nr. 7, über die wir vorhin schon gesprochen hatten. Allerdings sah dieser Torjubel wirklich wie ein herzlicher Jubel aus, nicht wie ein einstudiertes Szenario, das ganz kurz mal eben euphorisch-maskulin abgespult wird.
Plötzlich erwachte mein brennendes Interesse für alle Vereine, für all die interessanten Spielerinnen in der Bundesliga der Frauen. Ich konnte mich gar nicht satt lesen und habe Artikel verschlungen, um mich auf den Stand zu bringen, welches Team von welchen Spielerinnen angeführt wird, wer besondere Techniken oder Tricks beherrscht und was abseits des Platzes so läuft.
Dabei habe ich gelernt, dass die Stärke, die eine zweifache Mutter wie Almuth Schult zeigt, wenn sie nach der Entbindung ihrer Kinder und der Heilung ihres Körpers wieder in den Trainingsbetrieb einsteigt und sich erneut an die Belastungen der Sportart gewöhnen muss, riesigen Respekt verdient. Dass die Bescheidenheit und Demut, mit der Profis im Frauenfussball an die Öffentlichkeit treten, um für die Sparte zu werben, große Anerkennung und Unterstützung erhalten sollten.
Dann folgte die Euro 2022 in England und die Welle des Zuspruchs ist bis zur Herstellung dieses Artikels nicht abgeebbt, den Frauenfussball stärker zu fördern und bessere Rahmenbedingungen zu etablieren. Das ist nur zu begrüßen, denn von den Augenblicken wie diesem, der mich in seinen Bann gezogen hat, gibt es zweifellos sehr viele im Frauenfussball zu erleben. Natürlich nur dann auch sichtbar, wenn die Spielerinnen die Chance erhalten, dass sich Menschen mit einem Grundinteresse mit ihnen auseinandersetzen. Sei es im Stadion, am Bildschirm, in Zeitschriften oder anderweitig.
Dem Fussball der Frauen können große Zeiten bevorstehen. Gefüllt mit Möglichkeiten, den Sport im Profibereich mit wirksamen Gehälterstrukturen auszustatten, die Medienpräsenz zu erhöhen, die Nähe zur wachsenden Fangemeinde durch öffentliche Aktionen, digitale Medien und den Austausch bei Spielen zu festigen. All das ist möglich. Die Frage wird sein, ob es auch angeschoben wird und wer bereit ist, sich dafür wirksam zu engagieren.
Nur mit einem großen Miteinander kann der Frauenfussball im Ligabetrieb weit über das vorhandene Niveau hinaus wachsen und omnipräsent wahrgenommen werden, wie es die Spielerinnen in Anbetracht ihres Engagements und ihrer Leidenschaft verdienen. Denn uns allen sollten diese Momente offenstehen, wo aus einem beiläufigen Zuschauen heraus eine ganz große Leidenschaft erwacht.
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