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03.04.2020 - 11:07 | News | Kaynak: Soccerdonna
Carina Schlüter: Mein Kindheitstraum ist in Erfüllung gegangen
©IMAGO
Soccerdonna: Frau Schlüter vielen Dank, dass Sie in der aktuellen Lage bereit sind mit uns ein Interview zu führen. In Anbetracht der Situation rund um den Corona-Virus, glauben sie, dass die Saison 19/20 noch einen geregelten Abschluss findet?
Carina Schlüter: Ich persönlich kann mir kaum vorstellen, dass unsere Saison noch zu Ende gespielt wird. Aber sind wir mal ehrlich: Es gibt wirklich wichtigere Dinge als Fußball, das wird einem im Moment immer mehr bewusst. In Italien sterben aktuell täglich knapp 1.000 Menschen an dem Virus und hier wird noch immer über Sport diskutiert. Dennoch kann ich die Diskussionen in Bezug auf die Fortsetzung der Männer-Bundesliga zumindest zum Teil nachvollziehen, da es dort um riesige Geldsummen und einen großen wirtschaftlichen Schaden geht.
Soccerdonna: Wie vertreiben Sie sich die viele Freizeit? Haben sie ein individuales Programm bekommen?
Carina Schlüter: Wir haben alle einen individuellen Trainingsplan bekommen, der einem Vorbereitungsplan stark ähnelt. Dieser umfasst neben Läufen und Krafttraining auch fußballspezifisches Techniktraining, das jeder für sich im Garten oder auf dem Hof durchführen kann. Ganz ohne Ball geht ja auch nicht! Kommende Woche haben wir das erste Mal ein gemeinsames virtuelles Training via live Videoschaltung, darauf bin ich auch sehr gespannt. Was das angeht, geht es uns im Fußball noch ganz gut! Anders als bspw. Skifahrer können wir nahezu überall für unsere Sportart abgespeckt trainieren. Wir brauchen nur einen Ball und ein wenig Rasen, hinzu kommt das Training im physischen Bereich, ganz abgekoppelt vom Ball. Neben dem Training gibt es auch genug andere Dinge, für die ich mir jetzt viel Zeit nehme. Ich lese sehr gerne, backe viel und schreibe aktuell vermehrt an meinem Buch über das Torwartspiel, was ich vielleicht irgendwann mal veröffentlichen kann.
Soccerdonna: Müssen Sie noch neben dem Fußball arbeiten oder studieren Sie in München?
Carina Schlüter: Ich belege neben dem Fußball ein Fernstudium. Mir ist es sehr wichtig, dass ich meine berufliche Karriere nach dem Sport gut vorbereite und außerdem brauche ich das als Ausgleich für den Kopf. Beim Training kann ich mich körperlich voll auspowern, zu Hause bringe ich dann meinen Kopf zum Qualmen, das ergänzt sich echt super.
Soccerdonna: Ist Ihre Universität während der Corona-Krise geschlossen?
Carina Schlüter: Meine Uni ist aktuell auch geschlossen, was für mich allerdings kaum einen Unterschied macht, da meine Kurse größtenteils online stattfinden können. Ich arbeite also nach wie vor an meinen Hausarbeiten, lerne für Klausuren oder bereite Präsentationen vor.
Soccerdonna: Zuletzt hatten Sie mit Kniebeschwerden zu kämpfen. Wie ist der Verlauf der Heilung derzeit?
Carina Schlüter: Es wird von Tag zu Tag besser und in Bezug auf meine Verletzung, tut meinem Körper die Corona Pause aktuell sogar ganz gut. Somit habe ich jetzt nicht zu viel verpasst und konnte mein Training individuell anpassen. Sobald wir die Erlaubnis bekommen, hoffe ich also, dass ich mit dem Team wieder auf den Platz darf. Ob ich dann schon alles mitmachen kann, wird man dann sehen.
Soccerdonna: Im Sommer sind Sie vom SC Sand zum FC Bayern München gewechselt, um sich vor allem sportlich weiter zu entwickeln. Wenn Sie ein Fazit zum jetzigen Zeitpunkt ziehen müssten, wie würde dieses ausfallen?
Carina Schlüter: Für mich war es ein wichtiger und richtungsweisender Schritt, den ich zu keiner Sekunde bereue. Die Bedingungen hier in München sind großartig, wir haben ein tolles Team und ich kann es abends kaum erwarten, dass der nächste Tag beginnt und ich endlich wieder zum Trainingscampus fahren darf! Ich trainiere tagtäglich mit den zum Teil besten Spielerinnen Deutschlands, man muss an seine Grenzen gehen und entwickelt sich dadurch immer weiter.
Soccerdonna: Mit Laura Benkarth und Jacintha Weimar haben Sie zwei starke Konkurrentinnen im Kampf um die Nummer Eins. Wie kann man sich das auf dem Trainingsplatz und in der Kabine vorstellen. Meidet man sich eher oder herrscht eine innige Freundschaft?
Carina Schlüter: Was den Aspekt betrifft, sind wir sehr professionell! Natürlich sind wir Konkurrenten, aber vor allem sind wir Teamsportler und der Erfolg der Mannschaft steht über allem! Sowohl auf als auch neben dem Platz verstehen wir uns gut, helfen uns gegenseitig und verfolgen gemeinsame Ziele.
Soccerdonna: Ein Torhüter muss verrückt sein, heißt es. Passt Carina Schlüter in dieses Bild rein oder ist das mittlerweile eher veraltet?
Carina Schlüter: So ganz Unrecht hat man mit der Ausrede wohl nicht, zumindest hat der Torhüter meistens den Kopf dort, wo die anderen ihre Füße und Schraubstollen haben, da knallt es schon ab und zu. Das würden vermutlich auch meine Freunde über mich sagen, wenn sie mich beschreiben müssten. Ich glaube, wir haben alle ein bisschen einen an der Klatsche, allerdings im positiven Sinne. Wir sind eben auch ein bisschen die Einzelkämpfer im Team und müssen aus der Reihe tanzen. Ich sage immer: Augen auf bei der Berufswahl! Die Torhüter Position ist sicherlich nicht für jeden was, für mich aber ganz sicher mit Abstand die beste!
Soccerdonna: Sie haben noch ein Jahr Vertrag beim FC Bayern München. Linda Dallmann hat bereits ihren Vertrag verlängert. Streben Sie ebenfalls an länger beim FC Bayern München zu bleiben?
Carina Schlüter: Bevor man diesbezüglich Aussagen treffen kann, muss man vermutlich erstmal die aktuelle Situation abwarten, bis sich alles wieder ein bisschen beruhigt hat. Dann ist es für mich wichtig, dass ich nach meinen Knieproblemen wieder voll fit bin. Da ich mich in München total wohl fühle, kann ich mir eine Vertragsverlängerung gut vorstellen, allerdings ist es jetzt noch zu früh, um solche Entscheidungen treffen zu können.
Soccerdonna: Der FC Bayern hat immer den Anspruch Titel zu gewinnen. In dieser Saison ließ ihr Team gegen vermeintlich „kleinere“ Mannschaften Punkte liegen. Gegen Bayer Leverkusen mit 1:2 verloren und kürzlich gegen MSV Duisburg nur 2:2-Unentschieden gespielt. Tun diese Punktverluste sehr weh im Kampf um die deutsche Meisterschaft?
Carina Schlüter: Diese Punktverluste können am Ende den Unterschied machen und damit tun sie natürlich sehr weh. Es ist zwar noch alles offen, aber mit jedem „Fehler“ legen wir uns selbst Steine in den Weg Richtung Meistertitel. Gegen wen wir diese Punkte liegen lassen, ist vollkommen egal. Wer Meister werden möchte, sollte alle Spiele gewinnen können und wollen, da schaut man nicht vorher aufs Papier und setzt Kreuzchen.
Soccerdonna: Auch gegen Verfolger TSG 1899 Hoffenheim gab es eine 1:0-Niederlage. Ist Hoffenheim mittlerweile ein ernst zu nehmender Gegner auf Augenhöhe?
Carina Schlüter: Die TSG hat eine ganz starke Vorrunde gespielt und steht nicht zu Unrecht dort, wo sie aktuell steht. Sie haben sich zu einem ernst zu nehmenden Gegner entwickelt mit guten Qualitäten im Kader, aber vor allem einem starken Team auf dem Platz. Hoffenheim ist damit aktuell das beste Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass der Kern der Mannschaft über einen langen Zeitraum zusammenbleibt, um perfekt zu harmonieren. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass uns kaum jemand schlagen kann, wenn wir alle unsere Stärken auf den Platz bringen. Das ist natürlich ein Prozess und wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen, aber wir sind auf einem guten Weg.
Soccerdonna: Durch die erwähnten Punktverluste zieht der VfL Wolfsburg mit acht Punkten Vorsprung seine Kreise in der Bundesliga. Sind die Wölfinnen eine Klasse für sich oder ist der FC Bayern München noch nicht soweit den VfL in Bedrängnis zu bringen?
Carina Schlüter: Ganz klar nein! In unseren beiden Begegnungen gegen Wolfsburg bisher hat man gesehen, dass wir durchaus nicht nur dagegenhalten, sondern sehr wohl auch mitspielen können. Natürlich hat Wolfsburg viele europäische Topspielerinnen, doch die haben wir auch in unseren Reihen. Ich sehe bei Wolfsburg aktuell einen ähnlichen Vorteil, wie ich eben in Bezug auf Hoffenheim erwähnt habe. Wolfsburg hat jährlich kaum Abgänge zu kompensieren. Dieser Faktor darf im Mannschaftssport einfach nicht unterschätzt werden.
Soccerdonna: Zum ersten Mal in Ihrer Karriere durften Sie in der Champions League spielen. Wie war Ihre Gefühlslage, als Herr Scheuer Sie darüber informierte, dass Sie gegen BIIK Kazygurt spielen?
Carina Schlüter: Damit ist einer meiner größten Kindheitsträume in Erfüllung gegangen! Die Champions League ist nun mal DER Wettbewerb im Vereinsfußball. Was ich ein bisschen schade finde, ist, dass wir eine andere Hymne haben als die Männer, doch für ein Gänsehaut Gefühl hat es dennoch gereicht. Dazu kamen die positiven Ergebnisse im Hin- und Rückspiel, gutes Feedback vom Trainerteam und natürlich der Einzug in die nächste Runde.
Soccerdonna: Wie lauten Ihre weiteren Ziele für den Rest der Saison, sofern weitergespielt wird?
Carina Schlüter: Zunächst möchte ich wieder voll fit werden und dann möglichst auch wieder für die Mannschaft auf dem Platz stehen. Wir sind noch in zwei Wettbewerben vertreten und möchten in beiden maximale Erfolge feiern. An oberste Stelle steht für uns nach wie vor die Champions League Qualifikation für die kommende Saison. Unser Viertelfinallos dieses Jahr ist mit Lyon sicherlich ein Kracher und wir brauchen vermutlich zwei nahezu perfekte Tage, um da etwas erreichen zu können, doch genau das ist das, was den Fußball ausmacht! Möglich ist immer alles! Es geht darum, totales Vertrauen in sich und die Mannschaft zu haben und dann am entsprechenden Tag, voll abzuliefern!
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