10.02.2011 - 18:09 Uhr | News | Quelle: Soccerdonna | von: Christoph Mulitze
„Mir ist es wichtig, auch im Berufsleben erfolgreich zu sein“

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Sie ist in dieser Woche erst 27 Jahre alt geworden, und doch hat sie schon eine bewegte Karriere hinter sich: Shelley Thompson wechselte vor dieser Saison vom US-Proficlub Atlanta Beat zum Bundesliga-Aufsteiger Bayer 04 Leverkusen. Zuvor ging die zweimalige deutsche Nationalspielerin für den FCR Duisburg, den Hamburger SV und den VfL Wolfsburg erfolgreich auf Torejagd: In 174 Bundesligaspielen erzielte sie 137 Tore. Im Gespräch mit Christoph Mulitze sagt Shelley Thompson, warum sie während des Studiums in den USA nicht im College-Team spielen durfte, warum der ehemalige Basketball-Nationalspieler Henrik Rödl ihr Vorbild ist und wie sie die Hauptrolle auf einer Hörspiel-CD bekam.

Soccerdonna.de: Hallo Frau Thompson, im Gegensatz zu den meisten anderen Spielerinnen wissen Sie schon sicher, dass Sie bei der diesjährigen Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland dabei sein werden.

Shelley Thompson: Ja, das stimmt (lacht). Ich bin für die Kommunikation und Pressearbeit am WM-Spielort Leverkusen zuständig und Teil des Organisationskomitees vor Ort. Ich bin also Ansprechpartnerin für alle Medienvertreter, kümmere mich um den Informationsfluss und koordiniere PR-Aktionen zur WM in dieser Region, um einige meiner Aufgaben zu nennen.

Soccerdonna.de: Können Sie das mit Ihrer eigenen aktiven Karriere als Bundesligaspielerin zeitlich vereinbaren?

Shelley Thompson: Es ist ja in der Frauen-Bundesliga normal, neben dem Fußball eine zweite Beschäftigung zu haben. Deshalb ist das Training auch abends. Ich arbeite schon seit Sommer für Bayer 04 Leverkusen und kümmere mich um den englischsprachigen Internetauftritt auf bayer04.de. Weiterhin bekomme ich Unterstützung vom Bayer 04-Kommunikationsdirektor Meinolf Sprink und dem Team der Pressestelle meines Vereins. Das hilft mir, und dafür bin ich sehr dankbar.

Soccerdonna.de: Sie sind für diesen WM-Job eine nahezu perfekte Besetzung: Sie haben ein abgeschlossenes Studium der Medien- und Kulturwissenschaften, und Englisch ist Ihre Muttersprache.

Shelley Thompson: Ja, mein Vater stammt aus Simbabwe, meine Mutter aus Südafrika. Meine Eltern haben sich in Südafrika kennen gelernt und sind dann nach Deutschland gezogen. Ich wurde im Rheinland geboren. Wir haben zu Hause nur Englisch gesprochen, Deutsch habe ich erst im Kindergarten gelernt. Es ist für mich auch jetzt noch normal, zu Hause Englisch zu sprechen, selbst mit meinen Katzen.

Soccerdonna.de: Sie galten mal als ein ganz großes Talent in Deutschland. Warum ist Ihnen der Durchbruch zu einer Karriere wie etwa der von Inka Grings oder Birgit Prinz nicht gelungen?

Shelley Thompson: Möglicherweise wäre ich jetzt noch in der Nationalmannschaft, wenn ich damals in Duisburg geblieben wäre. Dann hätte ich auch im Verein auf international höchster Ebene spielen können und den einen oder anderen Titel gewonnen. Immerhin war ich in der Vergangenheit mehrfach Torschützenkönigin: 2003 bei der U19-Europameisterschaft, 2004 beim U21 Nordic Cup und 2005 in der Bundesliga. Ich habe aber immer gezielt auch auf meine berufliche Entwicklung geachtet. Für mich war es immer wichtig, dass ich auch im Berufsleben erfolgreich bin und nach dem Sport nicht nur irgendetwas in der Hand habe. Das war auch grundlegend für meine Vereinswechsel.

Soccerdonna.de: Sie hätten mit Ihrem familiären Hintergrund ja auch für andere Nationalmannschaften spielen können, etwa für Südafrika. Haben Sie darüber nie nachgedacht?

Shelley Thompson: Im Nachhinein ist es vielleicht ärgerlich, dass ich schon sehr jung mein erstes Länderspiel für Deutschland bestritten habe. Danach war ein Wechsel nicht mehr möglich. Und wenn man schon mit 19 Jahren in die Nationalmannschaft berufen wird, hofft man ja auch, dass noch einige Länderspiele dazukommen.

Soccerdonna.de: Sie sind nach dem Abitur zum Studium in die USA gewechselt, durften dort am College aber nicht spielen – warum?

Shelley Thompson: Ich musste damals einen zehnseitigen Fragebogen mit Ja- und Nein-Antworten ausfüllen und habe bei einer Frage das Kreuzchen an der falschen Stelle gemacht. Deshalb habe ich keine Spielgenehmigung erhalten.

Soccerdonna.de: Um welche Frage ging es da?

Shelley Thompson: Es ging darum, ob ich schon mal in einer Liga gespielt habe, in der Spielerinnen Geld verdienen. Mich hatte keiner vorgewarnt, deshalb habe ich „ja“ angekreuzt. Andere Spielerinnen, die aus der Bundesliga auf ein amerikanisches College wechseln, werden vorher gebrieft oder füllen den Fragebogen gar nicht selbst aus.

Soccerdonna.de: Sie haben sich dann im Sprinterteam fit gehalten. Was ist denn Ihre Bestzeit über 100 Meter?

Shelley Thompson: 12,92 Sekunden.

Soccerdonna.de: Damit dürften Sie die schnellste Bundesligaspielerin sein.

Shelley Thompson: Ich denke nicht, dass ich die heute noch laufe. Ich werde ja nicht jünger (lacht).

Soccerdonna.de: Frauenfußball hat in den USA einen noch höheren Stellenwert als in Deutschland. Woran haben Sie das gemerkt?

Shelley Thompson: Sport ist in den USA viel präsenter, die Sportbegeisterung überhaupt nicht mit der in Deutschland zu vergleichen. Wer dort Sport treibt, ist gesellschaftlich besser angesehen. Du wirst als Sportlerin oder Sportler bevorzugt behandelt. In den USA ist das vollkommen akzeptabel, sich bis 30 nur um die Profikarriere zu kümmern und sich danach auf Jobsuche zu begeben. In Deutschland wäre es schwer, mit 30 eine Erstanstellung zu bekommen – Sportler oder nicht.

Soccerdonna.de: Der Vereinssport wird in den USA aber nicht so gepflegt wie bei uns, oder?

Shelley Thompson: Richtig, es gibt verhältnismäßig wenig Vereinssport. Der College-Sport ist so präsent, dass er zum Teil sogar im Fernsehen übertragen wird. Es gibt an den Hochschulen kaum jemanden, der keinen Sport treibt – egal, ob Mann oder Frau. Fußball ist ein typischer Frauensport. Dort ist es normal, als Mädchen in einer Schulmannschaft zu spielen.

Soccerdonna.de: Ihr Großvater hat einst für den FC Liverpool gespielt. Hat er Sie darin beeinflusst, auch dem runden Leder nachzujagen?

Shelley Thompson: Nein, er ist leider verstorben, bevor ich geboren wurde. Er hat in den 1930er-Jahren als Südafrikaner in der erfolgreichen Zeit für Liverpool gespielt. Vielleicht habe ich das ja in den Genen: Eine Großkusine von mir spielt in Australien erfolgreich. Mein Vater hat früher allerdings auf dem englischen Internat nur die britischen Sportarten Rugby und Cricket gespielt.

Soccerdonna.de: Sie haben Verwandte überall auf der Welt. Liegt der Gedanke für Sie nicht nah, für längere Zeit zum Fußballspielen noch mal ins Ausland zu gehen?

Shelley Thompson: Der Wechsel Anfang 2010 in die USA war für mich vorerst der letzte Gang ins Ausland. Vorher wäre sicherlich auch der Wechsel zu einem europäischen Topverein interessant gewesen. Inzwischen bin ich aber wieder in Deutschland verwurzelt. Ich bin zurück in der rheinischen Heimat und in Leverkusen sehr glücklich. Wieder ins Ausland zu ziehen, kommt für mich in absehbarer Zukunft nicht in Frage.

Soccerdonna.de: Sie wohnen tatsächlich in Leverkusen? Die meisten Spieler von Bayer sollen doch in Düsseldorf oder Köln leben.

Shelley Thompson: Düsseldorf geht gar nicht (lacht). Ich wohne ländlich etwas außerhalb von Leverkusen. Dort fühle ich mich sehr wohl. Meine beiden Katzen müssen die Möglichkeit haben, raus zu gehen. Und ich kann jederzeit in 15 Minuten in Köln sein. Die Nähe zur Großstadt ist mir wichtig.

Soccerdonna.de: Sie sind nicht nur tierlieb, sondern engagieren sich auch in der Stiftung Deutsche Kindersuchthilfe. Es gibt eine Hör-CD „Andy Latte – Unter Shelleys Schutz“, auf der Sie mitwirken und sich selbst sprechen. Dabei geht es um die Alkoholproblematik in unserer Gesellschaft. Wie kam es zu dem Engagement?

Shelley Thompson: Die Deutsche Kindersuchthilfe hat mich vor einigen Jahren angesprochen und mich zu ihren Hauptsitz nach Wuppertal eingeladen. Die Mitarbeiter haben mich durch das Suchthaus geführt und mir von ihrer Arbeit erzählt. Sie helfen Kindern, die unter einer Suchtkrankheit der Mutter, des Vaters oder auch beider Elternteile leiden. Die Geschichten gingen mir unter die Haut. Das Thema war mir vorher fremd, wie so vielen in unserer Gesellschaft. Es ist ein typisches Tabu-Thema, das totgeschwiegen wird. Dabei kann man den Betroffenen nur helfen, wenn man darüber spricht. Ich unterstütze die Kindersuchthilfe mit meiner Bekanntheit, damit die Probleme, unter denen die Suchtkranken und ihre Kinder leiden, öffentlicher und bewusster werden. Im Zuge dieses Engagements ist auch die Hör-CD entstanden.

Soccerdonna.de: Spielt bei dem Engagement auch Ihr christlicher Glaube eine Rolle?

Shelley Thompson: Ich denke, das Thema betrifft nicht nur Christen, aber die Organisation hat einen christlichen Hintergrund.

Soccerdonna.de: Woher haben Sie diesen Glauben?

Shelley Thompson: Meine Mutter ist sehr gläubig und hat mich früher immer mit in die Kirche genommen. Ich habe damals aber keinen persönlichen Bezug dazu bekommen, obwohl für mich immer klar war, dass es einen Gott geben muss. Mit 13 wurde ich in eine christliche Jugendgruppe eingeladen und habe gemerkt, dass dort etwas anders war. Ich bin dann regelmäßig hingegangen und habe während der Zeit auch gemerkt, dass Gott an mir Interesse hat und eine persönliche Beziehung zu mir haben will. Das ist ein unglaubliches Wunder. Mittlerweile besuche ich, wenn es die Zeit erlaubt, sonntagabends einen Jugendgottesdienst. Leider ist man aber als Fußballerin oft an den Wochenenden unterwegs.

Soccerdonna.de: Sind Sie nicht mehr im Sportlerbibelkreis aktiv?

Shelley Thompson: Den gibt es in Düsseldorf leider nicht mehr. Doch es besteht immer noch Kontakt zwischen den Christen im Spitzensport. Nach Möglichkeit besucht man sich ab und zu bei Spielen. Cacau war schon einmal bei einem meiner Spiele im Stuttgarter Raum, und ich besuche seine Spiele in meiner Nähe, wenn ich Zeit habe.

Soccerdonna.de: Im Sportlerbibelkreis waren auch Sportler aus anderen Sportarten. Wer hat Ihnen besonders imponiert?

Shelley Thompson: Henrik Rödl, der ehemalige Basketball Nationalspieler. Er ist ein großes Vorbild für mich. Ich habe ihn kurz vor seinem Schienbeinbruch kennengelernt. Wie er damit mental umgegangen ist, sich für die Menschen um ihn herum eingesetzt hat und sich dabei nicht zu wichtig genommen hat – das war alles sehr bewundernswert. Überhaupt habe ich in dem Sportlerbibelkreis viel gelernt. Wir beschäftigen uns mit denselben Themen, unabhängig von der Sportart. Wir stehen alle unter enormem Druck und definieren uns stark über unsere aktuelle Form. Dabei ist man für Gott, aber auch für seine Freunde und Familie nicht weniger wert, wenn es mal nicht so läuft.

Soccerdonna.de: Kommen wir noch einmal zum Fußball: Für Bayer Leverkusen geht es noch gegen den Abstieg.

Shelley Thompson: Unser Ziel war von Anfang an der Klassenerhalt. Wenn wir das schaffen, ist das ein schöner Erfolg. Wir haben eine junge Mannschaft, nur die wenigsten Spielerinnen hatten vor dieser Saison Bundesliga-Erfahrung.

Soccerdonna.de: Und wie sieht das Ziel in der nächsten Saison aus?

Shelley Thompson: Wir wollen uns stetig verbessern. Was ich gut finde: Bei uns wird sehr stark perspektivisch gearbeitet und nicht von heute auf morgen das große Geld investiert. Das ist super, denn nur ohne allzu großen Erwartungsdruck können sich unsere blutjungen Spielerinnen entwickeln.

Soccerdonna.de: Und Sie als erfahrene Spielerin helfen dabei – wie lange noch?

Shelley Thompson: Mein Vertrag läuft zunächst noch ein weiteres Jahr. Mir macht es großen Spaß bei Bayer, wir haben auch menschlich eine ganz tolle Mannschaft.

Soccerdonna.de: Die Bundesliga wird von drei Mannschaften beherrscht. Ist das nicht auf Dauer langweilig?

Shelley Thompson: Es wäre besser, wenn die Leistungsdichte größer wäre, aber das dauert sicher noch ein paar Jahre. Die kleineren Vereine können den Spielerinnen zu wenig Perspektive bieten. Deshalb wechseln die guten Spielerinnen aus den kleinen Vereinen zu den großen Dreien, damit sie um die Meisterschaft spielen können.

Soccerdonna.de: Wem trauen Sie am ehesten zu, in die Troika aus Turbine Potsdam, FFC Frankfurt und FCR Duisburg einzudringen?

Shelley Thompson: Mittelfristig sehe ich da die insbesondere die Vereine, die auch erfolgreiche Männermannschaften unterhalten. Diese Perspektive hat sicherlich auch Bayer Leverkusen.

Soccerdonna.de: Wer wird denn in diesem Jahr Deutscher Meister?

Shelley Thompson: Es ist verdammt eng. Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung.

Soccerdonna.de: Frau Thompson, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.

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