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07.01.2019 - 16:51 Uhr | News | Quelle: Soccerdonna | von: Faiint/Prytz
Martina Voss-Tecklenburg war immer mit viel Emotionen dabei
©football.ch
Soccerdonna.de: Hallo Irina, emotionale Wochen haben Sie hinter sich. WM-Aus gegen die Niederlande, leider ohne eingesetzt worden zu sein, in der Liga deutlich abgeschlagen hinter dem FC Zürich. Freuen Sie sich über die Winterpause?
Irina Brütsch: Die letzten Wochen waren sowohl emotional als auch körperlich sehr intensiv, deshalb bin ich froh, dass nun Winterpause ist. Es tut sehr gut sich drei bis vier Tage zu erholen und den Fussball für einen Moment nicht so hoch oben auf der Prioritätenliste zu haben.
Soccerdonna.de: Waren sie enttäuscht, dass sie als beste Torschützin der aktuellen Saison in der Nationalliga A nicht in der Nationalmannschaft eingesetzt wurden?
Irina Brütsch: Nein, eigentlich nicht. Sicherlich hätte ich gerne gespielt, aber für mich war es bereits eine riesen Ehre, Teil des Teams zu sein. Vor zwei Jahren hätte ich noch müde gelächelt, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich vor 25'000 Zuschauern einlaufe und auf der Bank sitze. Da ich erst ganz neu im Team war, habe ich bei so wichtigen Spielen überhaupt nicht mit Einsatzzeit gerechnet und konnte so viel Positives aus den Zusammenzügen mitnehmen.
Soccerdonna.de: Wie war ihr Verhältnis zu Trainerin Martina Voss-Tecklenburg?
Irina Brütsch: Wir sind erst im letzten halben Jahr richtig in Kontakt gekommen und hatten dementsprechend kein besonders tiefes Verhältnis. Wir haben uns aber immer sehr gut verstanden und uns gegenseitig respektiert.
Soccerdonna.de: Wie würden Sie den Trainertyp beschreiben, den Martina Voss-Tecklenburg ausmacht?
Irina Brütsch: Da fragen sie besser andere Spielerinnen. (zwinkert) Was mir spontan einfällt ist, dass sie immer mit viel Emotionen dabei war. Sie konnte sich sehr gut in uns hineinversetzen, weil sie als Spielerin sehr viele ähnliche Situationen erlebt hat und konnte uns so oft weiterhelfen. Dazu kommt natürlich ihr großes fußballerisches Wissen, welches sie immer gerne mit uns geteilt hat.
Soccerdonna.de: Hatten Sie schon Kontakt zu ihrem neuen Trainer Nils Nielsen? Und konnte er Ihnen eine Perspektive aufzeigen, dass es bald zum ersten Einsatz in der Nationalmannschaft kommt?
Irina Brütsch: Wir haben uns nur einmal nach einem Spiel mit dem FC Luzern kurz gesprochen. Da er die Schweizer Liga noch nicht so gut kennt, habe ich ein Gespräch bezüglich Perspektiven auch überhaupt nicht erwartet. Zu meiner Freude kann ich im Januar mit ins Trainingslager und wir werden dort sicherlich Gelegenheit haben, uns fußballerisch und menschlich besser kennenzulernen.
Soccerdonna.de: Wie empfinden Sie die Entwicklung des Frauenfußballs in der Schweiz? Zuletzt hat zum Beispiel der FC Basel den Etat gekürzt. Ist das nicht eher ein Schritt zurück?
Irina Brütsch: Diesen Schritt zurück bezüglich derFinanzen habe ich leider auch beobachtet, denn auch bei Zürich und anderen Vereinen wurde der Geldfluss gekürzt. Jedoch habe ich das Gefühl, dass wir uns fußballerisch trotz den bescheidenen Mitteln weiter verbessern.
Soccerdonna.de: Was würden Sie sich vom Schweizer Verband wünschen, um den Frauenfußball besser zu fördern?
Irina Brütsch: Ich bezweifle, dass der Schweizer Verband viel mehr tun kann. Sie sind bereits bemüht den Frauenfussball zu fördern, sei es finanziell, mit einem neuen Medienauftritt (z.B. Ladys First in der Nationalliga A), mit Trainerausbildungen und vielem mehr. Solange es nicht mehr Zuschauer mobilisiert, kann man nun mal nicht mehr erwarten.
Soccerdonna.de: Wie ist das mediale Interesse am Frauenfußball in der Schweiz?
Irina Brütsch: Das mediale Interesse ist in den letzten Jahren gestiegen, aber leider immer noch nicht vergleichbar mit dem Männerfussball. Inzwischen findet man die Ligaresultate in den größeren Zeitungen und es werden auch immer wieder Spielberichte und Spielerinnen-Portraits in verschiedensten Zeitungen veröffentlicht. Das ist sehr erfreulich.
Soccerdonna.de: Wie steht ihr Verein FC Luzern zum Frauenfußball?
Irina Brütsch: Mit der FC Luzern AG (in der die 1. Mannschaft der Männer angegliedert ist) verbindet uns, abgesehen von der identischen Trainingsanlage und dem Logo, leider wenig bis gar nichts. Wie genau der Verein zum Frauenfußball steht, weiß ich nicht.
Soccerdonna.de: Kommen wir mal wieder zurück zu ihrer Person. Irina Brütsch ist erst beim FC Luzern zur Stürmerin umfunktioniert worden. Bis zu den U18-Juniorinnen waren Sie Torhüterin, später Innen- und Außenverteidigerin, dann auch noch Flügelspielerin, ehe sie nun an der vordersten Linie angekommen sind. Haben sie jetzt ihre Position gefunden?
Irina Brütsch: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Bereits in der U14 hat man mir eingeschärft, dass ich mich nun definitiv zwischen Torhüterin und Feldspielerin entscheiden muss. Ich habe mich für Torhüterin entschieden und dachte, dass ich dies bis zum Karriereende spielen werde. Wie du richtig sagst, habe ich danach aber noch alle möglichen Positionen gespielt und bin jetzt offiziell Stürmerin. Weil sich einige verletzt haben, habe ich in den letzten fünf bis sechs Spielen im zentralen Mittelfeld gespielt und somit mein Positionen-Repertoire vervollständigt. Genau das liebe ich eben auch am Fußball! Jeder Trainer hat eine andere Spielidee und benötigt dementsprechend andere Typen auf den verschiedenen Positionen. Deshalb lege ich mich auch nicht auf eine Position fest. Ich will dort, wo mich der Trainer platziert, egal ob auf oder neben dem Platz, einfach mein Bestes für das Team geben.
Soccerdonna.de: Wie kommt man dazu, ein solches Allroundtalent zu sein?
Irina Brütsch: Vielleicht, weil ich durch all die Positionswechsel nie Zeit hatte, um mich auf eine Position zu spezialisieren. Zudem sind meine Stärken wie Schnelligkeit und ein robuster Körper nicht mit einer spezifischen Position assoziiert.
Soccerdonna.de: Ihre Jugendzeit haben Sie beim Rekordmeister FC Zürich verbracht, wechselten dann aber in die USA und spielten dort für das Johnson City College Football. War es eine große Umstellung für Sie, in die USA zu wechseln?
Irina Brütsch: Ja, definitiv. Zum einen war ich eine absolute Englisch-Niete und benötigte zwei bis drei Wochen, bis ich mich in Gruppenkonversationen zu Wort melden konnte, weil ich so mit Zuhören und im Kopf Übersetzen beschäftigt war. Zum anderen ist das Umfeld im College-Fußball viel professioneller als ich das gewohnt bin. Der Staff bestand aus drei Fußballtrainern, drei Fitnesstrainern und einer Physiotherapeutin, die uns jeden Tag zur Verfügung stand. Auch finanziell haben die Colleges viel mehr Mittel und man kann sozusagen als Profi leben, der nebenbei studiert. Fußballerisch war es für mich keine so eine große Umstellung. Mein Team bestand zum Großteil aus Europäern und unser walisischer Trainer pflegte einen sehr europäischen Fußball. Die Wechselregeln und die Running Clock waren fußballerisch sicherlich die größten Umstellungen.
Soccerdonna.de: Würden Sie sagen, dass der Wechsel Sie geprägt und verbessert hat?
Irina Brütsch: Der Wechsel an die East Tennessee State University hat mich definitiv geprägt! Es war eine extrem lehrreiche Zeit, die ich nie vergessen werde. Zu beurteilen, ob ich mich verbessert habe, überlasse ich aber lieber dem neutralen Betrachter.
Soccerdonna.de: Was ist der große Reiz vieler junger Spielerinnen an den Colleges und Universitäten der USA zu spielen?
Irina Brütsch: Die Beweggründe sind sicherlich sehr unterschiedlich. Für mich war es vor allem die Möglichkeit Englisch zu lernen, aus meinem behüteten Nest rauszufliegen und mich in einem neuen Umfeld neu zu entdecken. Der fußballerische Reiz war für mich nur zweitrangig.
Soccerdonna.de: Ist es nicht reizvoller in der Nationalliga A zu spielen als an einem College in den USA weitab vom Blickfeld der Nationalmannschaft zum Beispiel?
Irina Brütsch: Nicht unbedingt. Zum Zeitpunkt meines Wechsels war die Nationalmannschaft für mich noch überhaupt kein Thema. Aufgrund meines zeitaufwändigen Studiums wurde ich beim FCZ in die zweite Mannschaft gesteckt und spielte so nur in der dritthöchsten Liga. Da ich nach mehr als 10 Jahren im Verein aber nicht innerhalb der Schweiz wechseln wollte, kam der Wechsel in die USA für mich zum perfekten Zeitpunkt.
Soccerdonna.de: Beim FC Zürich haben Sie auch schon Champions League gespielt. Wie war das so für Sie?
Irina Brütsch: Ein extrem cooles Erlebnis, welches ich wohl noch meinen Großkindern erzählen werde und ein weiteres Zeugnis für meine bunten Positionswechsel. In den Qualifikationsspielen und im 1/16-Final fieberte ich von der Bank aus mit, im Hinspiel gegen Barcelona agierte ich als einzige Sturmspitze, im Rückspiel als linke Außenverteidigerin. Als Kind träumte ich immer davon Champions League zu spielen. Dass dieser Traum in Erfüllung gegangen ist, kann mir niemand mehr wegnehmen.
Soccerdonna.de: In der aktuellen Saison haben Sie 9 Tore bereits erzielt, letzte Saison waren es insgesamt 15 Tore. Verspüren Sie Druck seitens Fans und Verein, dass Sie die Quote beibehalten müssen?
Irina Brütsch: Der FC Luzern ist ein sehr familiärer Verein und wir haben eine extrem freundliche Stimmung. Ich merke definitiv, dass sie sich freuen und stolz sind, wenn ich oben auf der Scorerliste bin. Als Druck würde ich es aber nicht beschreiben. Als Nationalspielerin habe ich einen gewissen Leistungsdruck, der sich aber nicht auf das Toreschießen, sondern auf das Spiel im Allgemeinen bezieht. Manchmal helfe ich dem Team mit Toren, manchmal mit Assists aber sehr oft auch einfach dadurch, dass ich Löcher aufreiße für die anderen; mir und den Fans ist alles recht!
Soccerdonna.de: Wie geht es denn für Sie weiter in der kommenden Saison?
Irina Brütsch: Hoffentlich so wie ich die letzte Saison aufgehört habe. Ich versuche Spiel für Spiel mein Bestes zu geben und unter der Woche an meinen Defiziten zu arbeiten. Was dabei rauskommt weiß nur Gott…
Soccerdonna.de: Wir bedanken uns für das tolle Interview und wünschen weiterhin viel Erfolg.
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