31.07.2022 - 22:00 Uhr | News | Quelle: dpa sd
Ende der Traumreise für deutsche Fußballerinnen - «Es tut weh»

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©FC Bayern München
Was für ein Spektakel im Fußball-Tempel Wembley. England und Deutschland liefern sich vor der EM-Rekordkulisse ein großes Duell - mit einem Happy End für die Gastgeberinnen. Das DFB-Team musste dabei ohne die verletzte Kapitänin Alexandra Popp auskommen.

Auch die aufmunternden Worte von Prinz William halfen kaum, bei den deutschen Fußballerinnen flossen im Konfetti-Regen viele Tränen. Bei der großen Party von Gastgeber England im Tollhaus Wembley blieb dem Rekord-Europameister nur noch die Zuschauerrolle, als aus den Boxen der Ohrwurm «Football's coming Home» dröhnte. Nach einem großen Kampf und viel Werbung für den Frauenfußball endete die Traumreise der deutschen Mannschaft mit einem bitteren K.o. in der Verlängerung. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg musste nach dem 1:2 (1:1, 0:0) nach Verlängerung gegen das Gastgeber-Team aus England im großen Kreis auf dem Rasen viel Aufbauarbeit leisten. Der Traum vom EM-Triumph war so nah, auch ohne die verletzte Kapitänin und Torjägerin Alexandra Popp.

Chloe Maggie Kelly sorgte mit ihrem Siegtreffer in der 110. Minute vor der EM-Rekordkulisse von 87 192 Zuschauern für ohrenbetäubenden Jubel im Fußball-Tempel Londons und für den ersten internationalen Titel der Lionesses überhaupt. Es war der Startschuss zu einer großen Party. Zuvor hatte Lina Magull (79.) die erstmalige Führung der Gastgeberinnen durch Ella Toone (62.) ausgeglichen. Torjägerin Popp konnte bei dem Spektakel nur mit trauriger Miene zuschauen. Die 31-jährige Wolfsburgerin hatte kurz vor dem Anpfiff wegen muskulärer Beschwerden passen müssen. Auch wenn es zum Titelgewinn am Ende nicht reichte, werden Deutschlands Fußballerinnen am Montag auf dem Frankfurter Römer geehrt.

«Es tut einfach nur weh. Wir haben 120 Minuten alles gegeben und uns auch durch den 0:1-Rückstand nicht beirren lassen. Wir haben uns leider nicht belohnt. Das müssen wir erstmal sacken lassen. Wir sind trotzdem froh und stolz, dass wir so viele Menschen erreicht haben», sagte Ersatzkapitänin Svenja Huth in der ARD und DFB-Präsident Bernd Neuendorf ergänzte: «Es schmerzt sehr. Wir haben nicht schlechter gespielt. Wir hatten viel Pech.» Ob es mit Popp anders gelaufen wäre, sei «hypothetisch», so Neuendorf. Dafür seien andere Spielerinnen wie Magull vorangegangen.

Voss-Tecklenburg zeigte sich als faire Verliererin: «Wir waren nah dran nach dem 1:1. Das zweite Tor war mega-unglücklich. Tore entscheiden Spiele. England hat ein großartiges Turnier gespielt.» Die große Kulisse habe ihr Team in der ersten Halbzeit gemerkt, danach sei es besser gelaufen.

England feierte indes ausgelassen den ersten Titel seit dem WM-Triumph der Männer 1966 im legendären Finale gegen Deutschland und machte es besser als Harry Kane und Co., die im Vorjahr ihr EM-Finale gegen Italien verloren hatten. «Oh mein Gott, es ist einmalig. Danke an jede einzelne Person, die uns unterstützt hat, das ist so unreal. Aus sowas sind Träume gemacht. Für ein kleines Mädchen, das früher Frauenfußball geschaut hat, ist das unglaublich», sagte Matchwinnerin Kelly.

Gänsehaut-Atmosphäre herrschte in Wembley, wo sich viel Prominenz - von Prinz William über Bundeskanzler Olaf Scholz bishin zu Bundestrainer Hansi Flick - versammelt hatte. Es war die größte Kulisse, die jemals bei einer EM - egal ob Männer oder Frauen - verzeichnet wurde. «Wir werden es genießen. Wir sehen es als Herausforderung an, aber auch als Privileg», sagte Voss-Tecklenburg.

Zunächst hatte das DFB-Team aber einen Schock zu verdauen. Als die beiden Teams aus dem Spielertunnel kamen, führte überraschend Svenja Huth anstelle von Popp die deutsche Mannschaft an. Unmittelbar vor dem Anpfiff musste die sechsfache Torschützin passen, dafür kam Deutschlands Fußballerin des Jahres Lea Schüller in die Startelf. Wie bitter für Popp, die Matchwinnerin aus dem Frankreich-Spiel, die in ihrer Karriere so viele verletzungsbedingte Rückschläge einstecken musste und vor wenigen Wochen beim 4:0-Auftakt gegen Dänemark erst ihr EM-Debüt mit 31 Jahren gegeben hatte.

Womöglich war es die schlechte Nachricht vor dem Anpfiff, womöglich aber auch die beeindruckende Atmosphäre - das deutsche Team begann nervös und sah sich in einem intensiven Spiel gleich großem Druck der Engländerinnen ausgesetzt. Erst ein Kopfball von Ellen White (3.), dann war Torjägerin Beth Mead über außen frei durch (9.) - Keeperin Merle Frohms ließ sich aber nicht düpieren.

Deutsche Nadelstiche gab es auch, wie etwa der abgeblockte Schuss von Sara Däbritz (10.). Und Mitte der ersten Halbzeit hatte Marina Hegering gar die Riesenchance zur Führung, als die Lionesses kurz vor der Ziellinie noch den Ball wegstochern konnten. Als bei dieser Szene aber der Video-Schiedsrichter einen möglichen Handelfmeter überprüfte, wurde es plötzlich ganz ruhig im großen Rund. Der Elfmeterpfiff blieb aber aus.

Mehr vom Spiel hatten in dieser Phase aber die Engländerinnen, die mit ihrem körperlichen Spiel der DFB-Auswahl große Probleme bereiteten. Auch das Pressing funktionierte beim Rekord-Europameister nicht wie gewünscht. Weil aber auch die Gastgeberinnen bei ihren Abschlüssen wie beim Schuss von White zu hastig und ungenau agierten, blieb es in den ersten 45 Minuten torlos.

Bundeskanzler Scholz zeigte sich zur Pause «begeistert» von seiner Frauenfußball-Premiere. Und so dürfte es den deutschen Regierungschef gefreut haben, als die deutsche Mannschaft im zweiten Durchgang den Vorwärtsgang einlegte und durch die eingewechselte Tabea Waßmuth (48.) und die überragende Magull (49.) zu zwei großen Chancen kam. Kurz darauf kam Schüller bei einem langen Ball einen Tick zu spät (57.).

Das sollte sich rächen. Bei einem langen Ball war die deutsche Abwehr mal nicht auf der Höhe. Die sechs Minuten zuvor eingewechselte Toone setzte den Ball mit einem Lupfer ins deutsche Tor. Das Team von Voss-Tecklenburg wollte die schnelle Antwort. Doch Magull scheiterte mit einem Pfostenschuss, der Nachschuss von Schüller war zu harmlos (66.). Der Druck wurde aber immer größer, es spielte nur noch Deutschland. Und schließlich war Magull nach Vorlage von Waßmuth doch zur Stelle.

Es wurde immer leiser in Wembley, und das hatte seinen Grund. Deutschland drängte die Engländerinnen immer mehr in die eigene Hälfte zurück und hatte die deutlich größeren Spielanteile. Doch England gab nicht auf und hatte dank Kelly das bessere Ende für sich. Die 24-Jährige von Manchester City stocherte bei einer Unachtsamkeit den Ball ins Tor, riss sich das Trikot herunter und jubelte im Sport-BH. Deutschland warf noch einmal alles nach vorne - ohne Erfolg.

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