21.02.2019 - 10:34 Uhr | News | Quelle: Soccerdonna | von: Dr. Frederik Petersohn
Birte Speck: „In den USA läuft es ganz anders!“

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©University of Maine

Birte Speck, Jahrgang 1999, kam vom FSV Münster vor Saisonbeginn 2014/15 in die U17 zum 1. FFC nach Frankfurt. Die Süddeutsche Meisterin von 2015 hatte „untypisch“ auf einen Sport-Elite-Schulbesuch in Frankfurt verzichtet. Nach 2 Jahren in der 1. FFC Frankfurt Reserve spielt die Reinheimerin seit dem Wintersemester 2018/19 auf der zentralen Mittelfeldposition bei den „Black Bears“, an der US-amerikanischen University of Maine (Orono, ME). Speck ermuntert europäische Spielerinnen, den Weg in die USA zu suchen, stellt indes unmissverständlich fest: „In den USA läuft es ganz anders!“ Birte lebt ihren „ganz persönlichen, amerikanischen Traum sehr bewusst“ und hält einen Tipp für alle parat, die es der Abiturientin gleichtun wollen. „Mit sehr guten Vermittlern zusammenarbeiten und sich auf völlig neue Strukturen einstellen!“ soccerdonna.de-Korrespondent Frederik Petersohn sprach mit Birte Speck über den US-College-Fußball und den Stellenwert einer akademischen Bildung. Und einen zweiten Tipp hält Birte Speck mit sehr ernster Miene parat: „Akademisches Studium und Spitzensport müssen mit derselben Intensität betrieben werden. Ansonsten geht man sehr schnell getrennte Wege!“


soccerdonna.de: Birte, Ihr Vorname regt in Maine wohl die phonetische Fantasie an?


Birte Speck: Das kann ich Ihnen sagen. „Boomy“, „Bibo“ und dann der Hammer… Barthy!“ Naja. Mittlerweile nennen mich alle „Specky“ und damit ist es dann auch gut.


soccerdonna.de: Alle…


Birte Speck: Ja. Das ist in den USA ein größerer Personenkreis als in Deutschland, ein spezielles Kollektiv. Die Ihrerseits angesprochene phonetische Fantasie rührt daher, dass wir in unserem Team Spielerinnen aus sechs Nationen vereinen. Da der US-Bundesstaat Maine direkt an Canada grenzt, haben wir Spielerinnen von dort, dazu kommen Deutsche, Norwegerinnen, Schwedinnen und US-Amerikanerinnen. Da sind die Coaches und die Side-Coaches und die College-Professoren, last but not least die Kommilitonen vom Basketball, Eishockey und American Football. Was in Deutschland dörfliche oder städtische Vereinsstrukturen sind, das sind in den USA das College und die Spielerinnen und Spieler. Der Zusammenhalt über Sportarten hinweg, das wird hier großgeschrieben. In Deutschland ist das eher ein Zufallsprodukt, in den USA ist das Programm. In den USA läuft es ganz anders.


soccerdonna.de: Sind Sie so zufrieden wie Sie wirken?


Birte Speck: Ich bin sehr zufrieden. Ich lebe meinen ganz persönlichen, amerikanischen Traum sehr bewusst.


soccerdonna.de: Was träumten Sie denn?


Birte Speck: Ich habe kurz nach meinem fünften Geburtstag angefangen Fußball zu spielen. Im Laufe der Jahre stellen sich eine Menge Fragen. Da ist die nach der Schulwahl. Das geht einher mit der Frage nach einem Internatsplatz. Und nach der süddeutschen Meisterschaft im Jahr 2015 haben sich nicht wenige meiner Kolleginnen eine Karriere als Profifußballerin in Europa erträumt. Ich habe diesen Plan im Hinterkopf, aber meine College-Ausbildung in den USA ist mir sehr wichtig. Und momentan gibt es keinen Verein, der mich interessieren würde. Kann aber alles noch kommen. Regelrecht abgeschreckt an einem Studium in Deutschland hat mich die Tatsache, dass Spitzensport und eine universitäre Ausbildung in Deutschland sehr schwer unter einen Hut zu bekommen sind.


soccerdonna.de: Sie haben ganz bewusst auf einen Besuch der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt verzichtet und sind Schülerin in Darmstadt gewesen. Aus welchen Gründen?


Birte Speck: Ich wollte auf mein familiäres Umfeld nicht verzichten und ich bin kein Typ für ein Internatsleben. Und die Verantwortlichen an der Georg-Büchner-Schule in Darmstadt sind mir als Sportleistungskurslerin sehr entgegengekommen. Übers Wochenende gab es für mich weniger Hausaufgaben und am Montag hatte ich keine Klausuren zu schreiben. So konnte ich sowohl den Anforderungen der Schule, als auch denen eines Vereins in der 2. Fußballbundesliga gerecht werden. Meine Eltern haben mich immer unterstützt und in meiner Haltung bestärkt.


soccerdonna.de: Sie denken gern an den 1. FFC in Frankfurt und an die Zeit davor zurück?


Birte Speck: Ja, die Zeit in der U17 und bei der Regionalauswahl war großartig. Chris Heck, Adrian Stanik und Matt Ross haben mich beim 1. FFC sehr gefördert und ich habe viel gelernt. Wichtig war die Zeit in der Jungsmannschaft mit Claus Hasenclever als Coach in Spachbrücken und Jürgen Schubsky bei der Regionalauswahl. Darauf baue ich jetzt auf. Die haben mir den Schritt vom Mädchenfußball in den Aktivenbereich sehr erleichtert.


soccerdonna.de: Genießt denn der deutsche Mädchen- und Frauenfußball in den USA immer noch einen guten Ruf?


Birte Speck: Der Ruf war in der Vergangenheit sicherlich schon besser, was die sportliche Situation in Deutschland angeht. Aber auch in Deutschland selbst ist ja die sportliche Situation der Mädchen und Frauen nicht mehr unumstritten. Meine Bewerbung ist in Maine aber auf ein großes Interesse gestoßen. Der Frauenfußball hat in den USA und Kanada einen völlig anderen Stellenwert als in Europa.


soccerdonna.de: Welchen Weg in die USA haben Sie ganz persönlich gewählt? Haben Sie mit einer Agentur zusammengearbeitet?


Birte Speck: Ja. Grundsätzlich ist es immer wichtig, mit seriösen Agenturen zusammenzuarbeiten. Da gibt es einige. Ich habe ein Video von mir produzieren lassen und habe dann einen Casting-Termin bei meinem jetzigen Coach in Duisburg gehabt. Der hat die europäischen Standorte abgeflogen und uns beim Spielen über 2 Tage beobachtet. Und dieser, erste Kontakt, war mir sehr wichtig. Coach Scott Atherley hat mir gesagt, dass ich im Mittelfeld spielen solle und ich in Maine willkommen sei.


soccerdonna.de: Dann sind Sie im Juli gelandet, haben ihr Zimmer eingerichtet …


Birte Speck: … nein, ich habe zunächst im Mai 2018 eine Stippvisite an die Uni unternommen und habe mir eine Woche lang alles angeguckt. Erst währenddessen war mir klar, dass ich nach Maine gehen werde. Sich vor der Entscheidung ein Bild machen. Das empfehle ich allen, die sich mit dem Gedanken anfreunden, in den USA zu studieren und zu spielen.


soccerdonna.de: Werden Ihre Kosten von der Uni übernommen?


Birte Speck: Als Sportlerin an der Uni wird mein Schulgeld bezahlt, das ist schonmal die sprichwörtliche halbe Miete. Das Büchergeld müssen wir Studierende tragen, die Kosten dafür halten sich aber in Grenzen. Abends unternehmen können wir bis zum 21. Geburtstag eh noch so gut wie nichts. Wir haben ja in Bars noch keinen Zutritt. Das spart eine Menge Geld (lacht).


soccerdonna.de: Wie sieht Ihr Tagesablauf typischer Weise aus?


Birte Speck: Der Tagesablauf stellt für uns Europäerinnen zweifellos eine ernste Hürde dar. Während der Vorbereitung wird zweimal täglich trainiert, aber während der Saison zwischen August und November sind 2 Spiele pro Woche zu absolvieren. Und das ist eine Riesen-Herausforderung, gerade als Freshman, im ersten College-Jahr. Dann ist Pause und im Teil 2 des Tournaments stehen dann 5 Spiele im April an. Wir haben also nicht den europäischen Spielrhytmus. Während der Saison stehen wir um 05:50 Uhr auf, um 06:20 Uhr ist Treffen in der Kabine, Ansprache und von 07:00 Uhr bis 08:30 Uhr ist Training. Dann geht´s Duschen, was Kleines frühstücken und weiter geht`s in die Uni. Da braucht es eine eiserne Disziplin. Akademisches Studium und Spitzensport müssen mit derselben Intensität betrieben werden. Ansonsten geht man sehr schnell getrennte Wege!


socerdonna.de: Zum Reisen bleibt Ihnen keine Zeit?


Birte Speck: Keine. An Thanksgiving war ich mit meiner room mate in Boston, bei deren Familie. Das war`s. Wer nicht erscheint und herumtourt, der ist sehr schnell draußen. In den Ferien habe ich genug Zeit, um in California zu surfen.


soccerdonna.de: Wie wichtig sind englische Sprachkenntnisse, um an einer amerikanischen Universität als „student“ angenommen zu werden?


Birte Speck: Die Standardtests sind im Vorfeld in Deutschland zu absolvieren, das hat vor allem rechtliche Gründe. Die zu bestehen, das ist das eine. Die daily communication, also alles das, was einem in der amerikanischen Alltagssprache begegnet, das ist das andere. Als ich das erste Mal vor meinen Kommilitonen stand und eine Stegreifrede halten musste, das war schon hart. Aber mit der Zeit läuft das schon, zumal wir im Team englisch reden und der amerikanische Sing-Sang sich jetzt in meinem Ohr festgesetzt hat.


soccerdonn.de: Sie haben sich für ein Studium der Psychologie entschieden. Sind Sie mit Ihren Uni-Kursen voll im Plan? Are you an A-Student?


Birte Speck: Ja, ich bin voll und ganz im Plan. Bisher habe ich ausschließlich A, A- und B+ geschrieben!


soccerdonna.de: Wow!


Birte Speck: … wenn es nicht so wäre, hätte es bereits vor Weihnachten seitens der Institutsleitung ein Gespräch mit mir gegeben. Nach dem Casting in Deutschland ist vor dem Studium in den USA. Und das ist garantiert dann schwierig zu wuppen, wenn die Einstellung nicht stimmt.


soccerdonna.de: Und was hat sich sportlich für Sie ergeben?


Birte Speck: Ich habe in Maine deutlich mehr Spielzeiten als in Frankfurt. Das hat seine guten Seiten, das wollte ich auch so. Aber in den USA wird generell mehr Wert auf Kraft und Schnelligkeit gelegt. Ich bin jetzt wieder auf meiner Lieblingsposition, im zentralen Mittelfeld. Mittlerweile habe ich 2 Tore erzielt. Das muss laufen wie am Schnürchen. Und aus diesem Grund haben meine Trainings-Kraftanteile an Bedeutung sehr zugenommen. Mir gefällt sehr, dass wir als Spielerinnen von Experten umzingelt sind. Side-Coaches, Athletikspezialisten und taktische Experten. Da heißt es rackern und ackern!


soccerdonna.de: Haben Sie eine kurze und knackige Empfehlung für künftige Kommilitonen aus Deutschland parat?


Birte Speck: Glaubt an Euch! Arbeitet mit sehr guten Vermittlern zusammen und stellt Euch auf völlig neue Strukturen ein!


soccerdonna.de: Mam, thank you so much. Alles Beste für Sie! Wir sehen uns dann im Oktober in Maine, nach einem Spiel Ihres Teams!


Birte Speck: My pleasure! You are more than welcome!



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