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16.06.2024 - 08:50 Uhr | News | Quelle: Soccerdonna | von: Emilie Bitsch
Aufstiegshoffnung und Rekordkulisse: Henstedt-Ulzburg kämpft um das große Wunder
©IMAGO
Der Aufstieg in die 2. Bundesliga ist in greifbarer Nähe für den Regionalliga-Meister Nordost, den 1. FC Union Berlin: Nach einem beeindruckenden 8:0-Heimsieg im Relegationsspiel gegen den Regionalliga-Meister Nord, den SV Henstedt-Ulzburg (09.06.24, 14 Uhr), sind die Eisernen nur noch ein Spiel davon entfernt, das große Ziel 2. Bundesliga zu erreichen. Am kommenden Sonntag (16.06., 14 Uhr) können die Berliner den Aufstieg perfekt machen. Hat Henstedt-Ulzburg noch eine Chance im Rückspiel? Und inwieweit plant der 1. FC Union Berlin sogar den Durchmarsch? Ein Vergleich der beiden Meister:
Vom Volkssport in die 2. Bundesliga
Der SV Henstedt-Ulzburg, die höchstplatzierte Mannschaft des schleswig-holsteinischen Frauenfußballs, spielt seit 2013 eine bedeutende Rolle in der Regionalliga Nord. Sie hielten sich stets unter den besten Fünf und konnten insgesamt vier Jahre Zweitliga-Erfahrung sammeln. Es hätte auch ein fünftes Jahr werden können, doch nach der Meisterschaft 2019/20 nahmen sie aus finanziellen Gründen nicht an der Aufstiegsrunde teil. Ihre letzte Zweitligasaison war 2020/21, in der sie direkt wieder abstiegen. Ihr größter Erfolg war die Viertelfinal-Teilnahme im DFB-Pokal 2021/22. Als einzige nicht erstklassige Mannschaft erreichten sie dieses Stadium und trafen auf den 1. FFC Turbine Potsdam, gegen den sie eine 0:7-Niederlage hinnehmen mussten. Zuvor konnten sie jedoch in den vorherigen Spielen hohe Siege einfahren.
Den 1. FC Union Berlin gibt es hingegen schon etwas länger. Seit 1969 war Union einer der ersten Vereine in der DDR, die eine Frauenfußballabteilung gründeten. Doch dies hielt nicht lange: Nur zwei Jahre später wurde der Frauenfußball in den Volkssportbereich ausgegliedert. Volkssport war nur für Personen gedacht, die Sport in ihrer Freizeit trieben, nicht als Leistungssport. Da Union aber keine Freizeitmannschaft in ihrem Verein haben durfte, schloss sich die Frauenmannschaft der BSG Kabelwerk Oberspree Berlin an. Nach dem Mauerfall wurde auch der Volkssportbereich aufgelöst, ebenso wie die BSG, und die Spielerinnen kehrten zurück zu Union. Seit über zehn Jahren sind die Eisernen nun in der Regionalliga Nordost etabliert und hatten, genauso wie der SVHU, vier Jahre in der 2. Bundesliga Nord. In der Saison 2016/17 trafen sie sogar aufeinander, wobei der SVHU beide Spiele mit 4:1 und 4:0 gewann.
Berlins Nummer 1 stellt nicht nur einen Bestwert in dieser Saison auf
Beide Mannschaften sind nicht ohne Grund Meister geworden: Henstedt-Ulzburg hatte die beste Defensive mit 24 Gegentoren und die zweitbeste Offensive (66 Tore) in der Regionalliga Nord. Nur Ligakonkurrent Hannover 96 erzielte mehr Tore (78). Acht Punkte trennten sie von Platz 2, jedoch konnten sie von 22 Spielen nur 17 Siege einfahren (vier Unentschieden, eine Niederlage). Vergleicht man dies mit den anderen Regionalligen, ist dies die niedrigste Anzahl an Siegen. Nach hohen Siegen wie dem 6:1 gegen den FC Jesteburg-Bendestorf und dem 5:0 gegen den SV Meppen II, überschattet die Niederlage am vorletzten Spieltag gegen den Achtplatzierten Holstein Kiel (1:3), auch wenn sie kurz vor der Pause führten. Die vergangene Saison lief besser, auch die Offensivqualität war höher. Als Vizemeister holten sie mehr Punkte (62, diese Saison 55) und schossen 101 Tore, nur fünf weniger als der Meister Hamburger SV. Allerdings sollte man beachten, dass in der vergangenen Saison vierzehn Mannschaften in der Liga spielten, diese Saison nur zwölf.
Im Gegensatz dazu ist der 1. FC Union Berlin mit dem Relegationsspiel bislang ungeschlagen. Sie gewannen alle 22 Ligaspiele und erzielten dabei 145 Tore, ein Bestwert in allen Regionalligen. Sie kassierten nur fünf Gegentore, und Torhüterin Melanie Wagner spielte 17 Spiele zu null – ebenfalls ein Ligabestwert. Auch sie fuhren sehr hohe Siege gegen ihre Ligakonkurrenten ein: Ein 15:0 gegen den 1. FFV Erfurt, ein 13:0 gegen BW Berolina Mitte und weitere mehr. Neun Punkte trennten sie vom Stadtrivalen FC Viktoria 1889 Berlin, der noch vergangene Saison Berlins Nummer 1 war. Union wurde da mit nur vier Punkten Abstand Zweiter, erzielte etwas weniger Tore (113 Tore), ließ jedoch mehr Gegentore zu (21 Gegentore). Diese Saison erfolgte der Wechsel an der Spitze – Viktoria Berlin ließ in wichtigen Spielen Punkte liegen, wohingegen die Unionerinnen sich weiter steigerten. Auch mit dem klaren 8:0-Sieg im Hinspiel der Relegation zeigten die Eisernen ihre Torgefährlichkeit.
Der SV Henstedt-Ulzburg und der 1. FC Union Berlin haben beide eine beeindruckende Saison hinter sich, doch in der direkten Gegenüberstellung scheint Union Berlin klar im Vorteil zu sein. Mit ihrer ungeschlagenen Serie, der enormen Torgefährlichkeit und der starken Defensive haben sie in dieser Saison alle Erwartungen übertroffen. Henstedt-Ulzburg hatte zwar ebenfalls eine starke Saison, doch die niedrigere Anzahl an Siegen und die Niederlage gegen Holstein Kiel zeigen, dass sie nicht unverwundbar sind.
Kader
Im Hinspiel musste der SV Henstedt-Ulzburg auf zwei Stammkräfte verzichten: Angreiferin Indra Hahn erlitt im letzten Ligaspiel gegen den HSV II einen Kreuzbandriss, erzielte jedoch noch vor der Verletzung das entscheidende 1:0. Auch Innenverteidigerin Luisa Kern zog sich einen Kreuzbandriss zu. Damit fehlen dem SVHU zwei wichtige Spielerinnen in der Offensive und Defensive. Insbesondere Indra Hahn, die in der Liga die drittmeisten Tore für Henstedt-Ulzburg schoss (18 Tore) und aus der eigenen Jugend kommt, fehlt für die Torgefährlichkeit des Teams. Die meisten Tore für den SVHU erzielte die 27-jährige Mittelfeldspielerin Jennifer Michel, die jedoch nur die zweitbeste Torschützin der Liga hinter Anna-Lena Füllkrug aus Hannover 96 war (27 Tore), der Schwester des EM-Teilnehmers Niclas Füllkrug. Führungsspielerin Malin Hegeler stand in allen Spielen auf dem Platz und wurde nur einmal ausgewechselt. Damit absolvierte sie die meisten Minuten (1959 Minuten). Die 29-jährige Mittelfeldspielerin, die seit der Saison 2020/21 Kapitänin ist, feiert dieses Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum im Verein.
Die Eisernen gingen mit dem zweitkleinsten Kader (28 Spielerinnen) der Regionalliga Nordost an den Start. In diesem kleinen Kader stechen drei Spielerinnen besonders heraus: die Triple-Torjägerinnen Sarah Abu Sabbah, Dina Orschmann und Kapitänin Lisa Heiseler, die zusammen 90 Tore erzielten. Besonders die 24-jährige Sarah Abu Sabbah, die in dieser Saison die beste Torschützin der Liga wurde, schoss 42 Tore – durchschnittlich alle 42 Minuten. Die Spielerin, die durchschnittlich am schnellsten Tore schoss, war jedoch Maria Cristina Lange. Mit 11 Toren in der Liga belegte sie den 11. Platz in der Torschützenliste, da sie aber nur vier Spiele absolvierte, erzielte sie durchschnittlich alle 22 Minuten ein Tor – ebenfalls ein Ligabestwert. Die Unionerinnen stellen die torgefährlichste Offensive in dieser Saison. Besonders Kapitänin Heiseler, die auch im Hinspiel ein Tor schoss, ist entscheidend für Union. Die 1,59 Meter große Mittelfeldspielerin kommt aus der eigenen Jugend und ist seit zwölf Jahren im Verein, wodurch sie am längsten bei Union ist. 2016 debütierte sie in der ersten Mannschaft und erzielte in 19 Spielen dieser Saison 23 Tore. Auch Union geht nicht verletzungsfrei in das letzte Spiel der Saison: Innenverteidigerin Marie Becker zog sich im letzten Ligaspiel eine Verletzung zu. Eine wichtige Stütze in der Abwehr wird somit fehlen. Zudem wird die 18-jährige Jugendspielerin Nour Youssef, die in elf Spielen drei Tore schoss, ebenfalls durch eine Verletzung fehlen. Sie wird außerdem den Verein nach dieser Saison verlassen.
Beide Teams haben beeindruckende Leistungen erbracht, jedoch hat Union Berlin deutliche Vorteile. Der 1. FC Union Berlin zeigte mit ihrer dominanten Offensivleistung und der starken Defensivarbeit, dass sie gut vorbereitet sind. Die Verletzungen von wichtigen Spielern auf beiden Seiten könnten den Verlauf beeinflussen, aber der deutliche Sieg im Hinspiel gibt Union Berlin eine hervorragende Ausgangsposition.
Aufstiegstrainer gegen Berliner Wurzeln
Seit 2019 trainiert der A-Lizenz-Trainer Christian Jürss die Mannschaft des SV Henstedt-Ulzburg. Bevor der 37-Jährige zum SVHU kam, trainierte er seit 2014 verschiedene Herrenteams, darunter auch U19-Mannschaften. Die Bilanz des Trainers mit der Mannschaft ist positiv: In seiner zweiten Saison stieg er mit dem Team in die 2. Bundesliga auf, konnte vergangene Saison die Vizemeisterschaft in der Regionalliga sichern und dieses Jahr die Meisterschaft erringen, mit dem eigentlichen Ziel, wieder in die 2. Bundesliga aufzusteigen. Doch nach der 0:8-Niederlage gegen Union Berlin wird dies nun schwierig. Dennoch kann der Trainer stolz auf seine Mannschaft sein.
Ailien Poese, die selbst für den 1. FC Union Berlin gespielt hat und eine waschechte Berlinerin ist, trainiert seit zwei Jahren die Unionerinnen. Die 39-Jährige holte durchschnittlich 2,73 Punkte in nur 49 Spielen. Davor trainierte sie die U16- und U17-Jugendmannschaften der deutschen Nationalmannschaft. Mit ihr als Trainerin, die tief mit Berlin verwurzelt ist und durch ihre Erfahrung mit leistungsstarken Mannschaften, ist das Team auf den Durchmarsch in die erste Liga eingestellt. Dies wird auch durch den bisherigen Neuzugang deutlich: Mittelfeldspielerin Antonia-Johanna Halverkamps, die vom Bundesliga-Absteiger MSV Duisburg kommt. Die 23-Jährige spielte fünf Jahre beim MSV, stand in 18 Spielen auf dem Platz und erzielte dabei zwei Tore. Nach unseren Informationen werden auch noch zwei weitere Spielerinnen, die aus höherrangigen Ligen kommen, zu Union wechseln: Judith Steinert vom Bundesligisten SC Freiburg und Margarita Gidion vom FC Basel. Diese Neuzugänge zeigen, wohin der 1. FC Union Berlin will - und zwar in die Bundesliga.
Während Christian Jürss eine beeindruckende Bilanz mit dem SV Henstedt-Ulzburg vorweisen kann, steht sein Team nach der deutlichen Niederlage gegen Union Berlin vor einer schwierigen Aufgabe. Ailien Poese hingegen führt die Unionerinnen nicht nur erfolgreich durch die Regionalliga, sondern plant bereits den Durchmarsch in die Bundesliga. Die hochkarätigen Neuzugänge unterstreichen diesen ambitionierten Plan. Union Berlin scheint somit bestens gerüstet und entschlossen, den Aufstieg zu realisieren.
Profi-Bedingungen stellen Weichen für den Durchmarsch
Seit dieser Saison trainieren die Unionerinnen unter Profi-Bedingungen. Die erste Mannschaft wurde als einer der wenigen Vereine in der Regionalliga professionalisiert, was bedeutet, dass die Spielerinnen unter dem Dach von Union Geld verdienen können und keine anderweitigen Berufe ausüben müssen, wie es normalerweise in einer Regionalliga üblich ist. Dies spiegelt sich auch in den Leistungen der Spielerinnen wider. Dadurch kann nicht nur ein- bis zweimal pro Woche trainiert werden, sondern es sind sogar tägliche Trainingseinheiten möglich. Auch Vereinspräsident Dirk Zingler freut sich: „Sie üben ihren Beruf bei uns aus.“ Durch diese Förderung und mit Blick auf die großen Namen der Neuzugänge ist das große Ziel der Durchmarsch in die erste Liga. Die Weichen dafür sind gestellt.
SV Henstedt-Ulzburg braucht ein großes Wunder
Trotz der Niederlage im Hinspiel wird der SV Henstedt-Ulzburg im Rückspiel vor ausverkauftem Haus nochmal alles geben, um es den Unionerinnen nicht einfach zu machen. Das Rückspiel war bereits vor dem Hinspiel ausverkauft – 4500 Zuschauer werden sich das Duell am Sonntag im Beckersbergstadion um 14 Uhr anschauen. Die Henstedt-Ulzburgerinnen werden versuchen, das große Wunder noch zu schaffen. Im Hinspiel verfolgten rund 18.045 Zuschauer das Spiel, ein Rekord, der auch die Zuschauer begeisterte. Beide Spiele zeigen den Aufschwung, den der Frauenfußball gerade erlebt, auch wenn die Karten für den Aufstieg fast schon gelegt sind. Union Berlin geht als Favorit in das Rückspiel der Relegation, während Henstedt-Ulzburg einen nahezu perfekten Auftritt benötigen wird, um eine Chance auf den Aufstieg zu haben. Und vielleicht gibt es doch am Sonntag ein großes Wunder – der Fußball ist unberechenbar.
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