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18.06.2020 - 07:28 Uhr | News | Quelle: Soccerdonna | von: Fiona John
Auf den Spuren von Rinast: Julia Pfannschmidt - von Köln nach Israel
©IMAGO
Die 30-jährige Julia Pfannschmidt spielte gerade ihre erste Saison in Israel. Nach Rachel Rinast ist sie die zweite Spielerin, die es vom 1. FC Köln in die israelische Liga zog. Im Interview berichtet die Abwehrspielerin unter anderem von den Gemeinsamkeiten mit Rinast, von ihren Erlebnissen in Israel, den Unterschieden zu Deutschland und wie es überhaupt zu dem Wechsel zu Bnot Netanya kam.
Soccerdonna.de: Sie haben im letzten Sommer entschieden, Köln in Richtung Israel zu verlassen. Was hat Sie dazu gebracht, sich für Bnot Netanya zu entscheiden?
Julia Pfannschmidt: Von Deutschland aus habe ich ein telefonisches Kennenlerngespräch mit den Verantwortlichen von Bnot Netanya geführt, welches super positiv verlief. Das Gefühl mit dem Verein auf einer Wellenlänge zu sein, sowie die gesamte Vision des Clubs, haben mich ziemlich schnell davon überzeugt, dass ich ein Teil des Teams sein möchte. Bnot Netanya ist kein üblicher Verein, eher eine Familie.
Soccerdonna.de: Sehen Sie den Weg von Rachel Rinast als Vorbild?
Julia Pfannschmidt: (schmunzeln) Ich bewundere Rachel für ihren Mut Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen, auch wenn sie gegen den Mainstream sind, und ihre Offenheit gegenüber neuen Situationen und Menschen. Ihr Weg ist durchaus spannend und ich glaube viele Menschen können sich eine Scheibe von ihr abschneiden, wenn es darum geht seinem Herzen zu folgen. Tatsächlich war sie diejenige, die mich auf die Idee gebracht hat in Israel zu spielen. Bevor Ray nach Israel wechselte, hatten wir ein Lehrgang mit Makkabi Deutschland, wo sie mir davon erzählt hat und ich war sofort begeistert.
Soccerdonna.de: Wie wurden Sie von der Mannschaft als Spielerin aus dem Ausland aufgenommen?
Julia Pfannschmidt: Unglaublich gut. In der Tat ist es eine Normalität in Israel, dass die Teams in der 1. Frauenliga mit Ausländerinnen besetzt sind. Es dürfen bis zu 5 ausländische Spielerinnen in einem Team auflaufen. Meine Mannschaftskameradinnen waren somit bereits daran gewöhnt dass auf dem Platz bei Trainingseinheiten und Spielen, sowie neben dem Platz bei Get-Together überwiegend Englisch gesprochen wird. Bnot Netanya hatte diese Saison Spielerinnen aus Nigeria, Ghana, den USA, aus der Schweiz und mich aus Deutschland.
Soccerdonna.de: Wo sehen Sie den israelischen Frauenfußball im Vergleich zu den anderen internationalen Ligen?
Julia Pfannschmidt: Leider hat der Fußball noch kein so hohes Level wie in anderen Ländern erreicht, was zum einen natürlich daran liegt, dass Israel einfach kleiner ist und somit weniger Spielerinnen vorhanden sind die das Niveau erhöhen und durch Konkurrenz die Leistungen anspornen. Zum anderen fehlen noch Investitionen um die Infrastruktur zu verbessern. Alle Beteiligten der Frauenligen stecken viel Energie, Zeit und Herz in die Entwicklung des Frauenfußballs um weitere Fortschritte zu machen.
Soccerdonna.de: Ist der Frauenfußball in Israel angesehen?
Julia Pfannschmidt: Unter den Beteiligten ja. (lacht) Leider bisher nicht wirklich. Unter den Israelis kennen nur sehr wenige Menschen die Frauenliga. Wenn ich ins Gespräch mit einheimischen z. B. am Strand komme und erzähle, dass ich hier Fußball spiele, werde ich immer erstmal verwirrt angeschaut. Dann folgen meistens noch 2-3 spezifischere Fragen zum Fußball – die Leute sind meist ungläubig und erzählen mir, dass sie gar nichts von einer Frauenliga wussten. Durch Werbemaßnahmen für den Frauenfußball wird seit einiger Zeit versucht mehr Aufmerksamkeit von der Bevölkerung zu bekommen, aber auch hier fehlen große Sponsoren, die einen Unterschied machen könnten.
Soccerdonna.de: Ist die Professionalität vergleichbar mit der deutschen Liga?
Julia Pfannschmidt: Ich würde sagen, die Teams sind auf einem guten Weg. Es gibt Fotoshootings, Videoaufzeichnungen von allen Spielen, Spielanalysen, medizinische Betreuung, Teamevents um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken etc. Ganz klar, dass die deutsche Liga professioneller ist, da sie bereits über einen längeren Zeitraum daran arbeitet, aber die Teams in Israel adaptieren viel was ausländische Spielerinnen an Erfahrung, Wissen und Vorschlägen mitbringen, um schnell professioneller zu werden.
Soccerdonna.de: Wie stehen Sie zum Saisonabbruch durch die Corona-Pandemie?
Julia Pfannschmidt: Natürlich hat es mich traurig gemacht, dass die Liga abgebrochen wurde. Wir hatten noch Play-Off Spiele bevorstehen, die super spannend geworden wären. Aber natürlich war der Abbruch die einzig richtige Entscheidung. Gesundheit geht immer vor. Ich weiß, dass wir die Situation nicht ändern können, also müssen wir sie hinnehmen und unseren Fokus auf die Themen richten, die wir beeinflussen können, wie zum Beispiel die Vorbereitung auf nächste Saison.
Soccerdonna.de: Gab es erhebliche Einschnitte in Israel durch die Regierung und wie haben Sie den Tag während der Anfangsphase von Corona gemeistert?
Julia Pfannschmidt: Ja. Israel ist, glaube ich, das erste Land, welches so drastische Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vorgenommen hat. Der Ben-Gurion-Flughafen wurde quasi außer Betrieb genommen, Geschäfte und Fitnessclubs wurden geschlossen, alle öffentlichen Plätze gesperrt. Es wurde verkündet, dass wir uns zu Hause aufhalten müssen und das Haus nur verlassen dürfen um entweder Lebensmittel zu kaufen oder dem Hund Auslauf zu geben, natürlich mit Handschuhen und Atemschutzmasken. Jedoch auch diese Ausnahmen waren begrenzt auf einen Radius von 100 Metern vom Wohnsitz. Das öffentliche Leben bestand nur noch aus Polizeistreifen, die überprüfen, ob alle sich an die Regeln halten. Mittlerweile lockern sich die Maßnahmen wieder, die Menschen begeben sich an den Strand und seit Mittwoch (27.5.) sind auch Restaurants wieder geöffnet. Mich persönlich haben die Anfangsphase von Corona sowie auch die gesamte Dauer der Pandemie nicht hart getroffen. Ich stand zu aller Zeit mit Familie und Freunden aus Deutschland in Kontakt, um auch von deren Seite zu verstehen was gerade in der Welt passiert. Klar, ich musste mein Leben daran anpassen, nicht mehr raus gehen zu können, aber ich wusste ja, dass dies nur für einen bestimmten Zeitraum so sein wird. Somit habe ich meine Gewohnheiten angepasst und versucht das Beste daraus zu machen. Meine Familie, Freunde und ich sind gesund und das ist das Wichtigste. Alles andere ist Meckern auf hohem Niveau. Traurig an Corona macht mich, dass so viele Menschen ihre Existenzen verlieren und nichts dagegen tun können.
Soccerdonna.de: War es eine große Umstellung zwischen Deutschland und Israel? Und wie kann man sich den Wandel zweier so unterschiedlicher Kulturen vorstellen?
Julia Pfannschmidt: Ja, Israel und Deutschland sind definitiv unterschiedlich. Für mich persönlich war die Umstellung relativ leicht, weil ich anpassungsfähig bin – meine sportliche Hürde zu Beginn war das Training bei den höheren Temperaturen. Auch wenn wir abends trainieren, wenn die Sonne schon untergegangen ist, musste ich mich erstmal daran gewöhnen, dass von meinem Körper doch nochmal was anderes abverlangt wird. Abgesehen davon sind die Menschen und wie sie mit Situationen umgehen grundverschieden zu den Deutschen. Ich liebe die israelische Mentalität, die Offenheit, das Selbstbewusstsein und den Umgang der Israelis miteinander. Hier wird jeder aufgenommen und integriert. Ich wurde unzählige Male zum Shabbat-Essen bei den Familien von meinen Mitspielerinnen eingeladen und von vornherein behandelt als gehöre ich zur Familie. Die Israelis tragen ihr Herz wirklich direkt auf der Zunge. Das lässt einen dann auch vergessen, wenn man wieder mal eine halbe Stunde auf jemanden warten muss – mit Pünktlichkeit wird hier doch auch ein bisschen anders umgegangen.
Soccerdonna.de: Rachel Rinast hatte immer wieder von Israel geschwärmt. Besonders die Kultur und den Glauben immer wieder in den Mittelpunkt gestellt. Haben Sie die Zeit auch genutzt sich der jüdischen Religion etwas näher zu bringen?
Julia Pfannschmidt: Ich habe selbst jüdische Wurzeln und war 2017 bereits 2,5 Wochen mit Makkabi Deutschland zu den World Maccabi Games in Israel, sodass mein Aufenthalt die letzten 9 Monate in Israel mir nochmal eine neue Sichtweise auf die Weltansicht und Traditionen des Judentums gegeben haben. Die gelebte Religion hautnah mitzuerleben und mit den Menschen darüber zu sprechen ist etwas vollkommen anderes als aus der Ferne zu beobachten. Ich habe auch Ausflüge an die verschiedensten Orte im Land unternommen, die die Kultur hier prägen und überall entdeckt man was Neues und findet jemanden der einem etwas darüber erzählt. Jerusalem zum Beispiel ist eine komplett andere Erfahrung als Tel Aviv.
Soccerdonna.de: Was war Ihr besonderster Moment in Israel?
Julia Pfannschmidt: Wow, ich hatte ehrlich so viele besondere Momente. Sportlich gesehen war für mich ein magischer Moment, als ich in meinem ersten Pflichtspiel ein Tor geschossen und wir gewonnen haben, aber auch als ich die Mädels das erste Mal getroffen und mit ihnen trainiert habe, wie wir mit Niederlagen umgegangen und daran gewachsen sind und dass ich das Team als Kapitän führen durfte. Persönlich, war der erste besondere Moment definitiv, als ich am Flughafen in Israel voller Erwartungen an kam und eine Teamkameradin mich abholte, die Luft, die Wärme, die Aufregung. Das war besonders. Danach war ich Gast auf einer jüdischen Hochzeit, stand in Jerusalem an der Klagemauer, schwamm im toten Meer, bestieg Masada um 5 Uhr morgens, genoss den Ausblick von Mizpe Ramon, schlenderte mit einem Eis von Golda über den Flea Market in Jaffa und aß Falafel und Hummus in Tel Aviv am Strand.
Soccerdonna.de: Sie sind als gebürtige Kölnerin sicherlich sehr heimatverbunden. Fehlt Ihnen etwas besonders?
Julia Pfannschmidt: Ja total. Meine Familie und Freunde fehlen mir. Whatsapp-Video Calls sind gut, aber sie ersetzen nicht den persönlichen Umgang miteinander. Die Traditionen die wir haben, die besonderen Tage (wie zum Beispiel Karneval) fehlen mir. An Weihnachten hatte ich das Glück nach Hause fliegen zu können und bei meiner Familie zu sein. Mir fehlen der Blick auf den Dom und das Spazieren am Rhein.
Soccerdonna.de: Wie gehen Sie mit der Situation um, jetzt wo Sie noch nicht nach Hause fliegen dürfen?
Julia Pfannschmidt: Es ist verwirrend für mich, da ich seit Tagen gemischte Gefühle habe. Auf der einen Seite bin ich mega happy und voller Vorfreude meine Familie und Freunde bald wieder umarmen und zum Lachen bringen zu können, auf der anderen Seite bin ich traurig Israel zu verlassen. Dadurch, dass mein Flug gestrichen wurde, werde ich diese gemischten Gefühle noch ein wenig ertragen müssen. Ich beobachte, wie sich die Situation bzgl. des Flugverkehrs entwickelt und hoffe darauf bald einen Flug nach Deutschland zu erhalten. Bis dahin genieße ich die Sonne und die Menschen und bleibe positiv.
Soccerdonna.de: Gibt es irgendetwas, was Sie gerne im Frauenfußball sehen möchten?
Julia Pfannschmidt: Ich würde gerne sehen, dass der Frauenfußball sich weiterhin erfolgreich entwickelt und in Zukunft eine noch professionellere Ebene erreicht. Ich finde, ein wichtiger Teil davon ist, mehr Aufmerksamkeit auf Individualität zu richten. Fußball ist ein Teamsport und ich denke, dass die Betreuung und die individuelle Arbeit mit Spielerinnen ein riesiges Potenzial birgt, um den Sport noch erfolgreicher und besser zu machen und auch das Team in Gesamtheit stärkt. Ich würde gerne sehen, dass Spielerinnen so gesehen werden, wie sie sind und dabei unterstützt werden, ihre Persönlichkeit und Charaktereigenschaften mit dem Leben des Profifußballs zu vereinen, um somit 100% im Training und in Spielen geben zu können. Neben Ernährungs- und Athletikcoaching gehören für mich somit auch u. a. Psychologie für Mental Health, Selbstbewusstseins-Coachings und Resilienz-Training zur Zukunft des Frauenfußballs.
In jedem anderen Business weisen Teams, die eine solche Art von Coaching erhalten, mehr Produktivität und einen besseren Zusammenhalt untereinander auf. Den einzigen Grund, warum dies bisher noch nicht vom Frauenfußball übernommen wurde, sehe ich in fehlendem Budget.
Soccerdonna.de: Werden Sie im Sommer Israel verlassen oder bleiben Sie?
Julia Pfannschmidt: Ich fliege, sobald es möglich ist, zurück nach Deutschland. Im September reise ich dann aber wieder nach Israel, um eine weitere Saison hier zu spielen, unter Vorbehalt, dass die Liga regulär startet.
Soccerdonna.de: Eine allgemeine Frage zum Abschluss: Warum ist es grundsätzlich wichtig, dass Bundesligisten auch ihre Frauenteams fördern?
Julia Pfannschmidt: Bundesligisten haben ein öffentliches Image, eine öffentliche Macht und sind Meinungsmacher. Durch Unterstützung der Frauenteams gehen sie als Vorbilder für eine gesamte Gesellschaft, für ein ganzes Land voran und geben Beispiel für ein individuelles, vielfältiges und gemeinschaftliches Deutschland. Die Bundesligisten sind viel mehr als nur Sportvereine - sie repräsentieren und vermitteln Werte, mit denen sich ganze Menschenmassen in Deutschland identifizieren. Die Förderung von Frauenteams auf dieser Ebene durchbricht veraltete Meinungen und Vorurteile auf jeder Ebene der Gesellschaft, sodass die noch immer vorherrschende Chancenungleichheit Stück für Stück zerfällt.
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